Auch amüsant: Möbel aus dem Filmset der Komödie „Mon Oncle“ von Jacques Tati – eine Parodie darauf, was man in den 50er-Jahren für topmodern oder gar für futuristisch gehalten hat.
Als Idee besser funktionierte Andy Warhols New Yorker Silver Factory (1964–67): ein Ort des Lebens und Arbeitens in einem verlassenen Fabriksgebäude und Auslöser der bis heute anhaltenden Begeisterung fürs „loft living“.
Oder die von Mies van der Rohe geplante Villa Tugendhat (1929–30) in Brünn, die sich zu zwei Seiten durch raumhohe Glasscheiben komplett nach außen hin öffnet.
Die Ausstellung „Home Stories. 100 Jahre, 20 visionäre Interieurs“ im Möbelmuseum Wien gibt einen Überblick über das private Interieur, seine Geschichte und Zukunftsperspektiven.
Zu sehen ist, wie die Gestaltung von Wohnräumen durch einzelne Persönlichkeiten wie Adolf Loos, Finn Juhl, Charles und Ray Eames, Lina Bo Bardi oder der legendären Innenarchitektin Elsie de Wolfe, aber stets auch durch Einflüsse aus Kunst, Architektur, Mode oder Set-Design beeinflusst wurde und wird.
In umgekehrter Chronologie geht die Zeitreise von den Wohnideen der Gegenwart – etwa Arno Brandlhubers „Antivilla“ (2015) bei Potsdam, bei der eine ehemalige Fabrik zum Wohnraum umfunktioniert wurde, und die Mikro-Wohnung „Yojigen Poketto“ (4-D-Nische) des Architekturbüros Elii aus Madrid von 2017 – zurück in die Nachkriegszeit und noch weiter zurück bis zur Wienerin Margarete Schütte- Lihotzky und ihrer Erfindung der kleinen und funktionellen „Frankfurter Küche“ (1926), die heute als Mutter aller Einbauküchen gilt.
Unterhaltungswert hat die mit dem größeren politischen Kontext des Ost-West-Konflikts verwobene berühmte „Küchendebatte“ zwischen Richard Nixon und Nikita Chruschtschow, als sich beide Politiker in einem amerikanischen Fertighaus auf der Moskauer Weltausstellung 1959 über die Wohnqualität und den Haushaltsstandard in ihren konträren politischen Systemen unterhielten.
Die Zukunft findet bei „Home Stories“ fast ausschließlich als Idee aus der Vergangenheit statt, die entweder zur Gegenwart wurde oder sich am Ende nicht durchgesetzt hat.
„Die Ausstellung soll eine neue Diskussion über das private Interieur, seine Geschichte und seine Zukunftsperspektiven anregen“, wünscht sich Kurator Jochen Eisenbrand.
Schließlich war die Einrichtung von Arbeitszonen im privaten Wohnbereich schon in den 1920ern bei Mies van der Rohe ein Thema. Und so manche „Wohnkapsel“ aus den 1960ern könnte fast als hygienische Lösung für das Social Distancing von heute entworfen worden sein.
„Die meisten der hier präsentierten Interieurs waren und sind sehr ernst gemeint. Sie wirken bis heute nach“, sagt Eisenbrand. „Die vorgestellten Projekte hatten auf lange Sicht einen Einfluss.“
Das Wohnen an sich sei ja grundsätzlich eine sehr konservative Angelegenheit. Und Änderungen passieren nur langsam, gerade in der breiten Masse.
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