Grandioses Gefühlskino auf der Theaterbühne
Es gab Zeiten, da wurden Theaterstücke zu Kinofilmen. Heute ist es oft umgekehrt. "Wie im Himmel" von Kay Pollak, 2005 für den Oscar nominiert, hat auch in der Bühnenversion in der Josefstadt fast alle aus dem Kino bekannten Ingredienzien: Gesang, Schneegestöber, Engerl mit Flügerln, einen introvertierten Künstler, der in einer sehr komischen Szene versucht, Fahrrad fahren zu lernen ...
Selbstfindungstrip
Was zunächst kontemplativ beginnt und sich allmählich zum bittersüßen, aber auch humorvollen Drama um Liebe und Selbstbewusstsein entwickelt, ist die Selbstfindungsreise eines weltfremden Stars, der den Zugang zu Menschen – und Seelen – nur über den Umweg Musik findet. Nach einem Herzinfarkt kehrt der international gefeierte Dirigent Daniel Daréus (Christian Nickel) zurück in s Dorf seiner Kindheit, die er eigentlich gar nicht hatte. Seine Absicht, die „Musik in allen Dingen“ in der Einsamkeit in vollen Zügen in sich aufzunehmen, entpuppt sich rasch als Illusion.
Stattdessen gewinnen die Mitglieder des örtlichen Kirchenchors das Sensibelchen als neuen Chorleiter. Damit beginnt für alle eine wunderbare Zeit der Annäherung. Musikalisch wie emotional. Denn jeder Mensch hat seinen ureigenen Ton, den es zu finden gilt.
Alles bewegt sich wie die Drehbühne in der konventionellen Inszenierung von Janusz Kica. Allmählich entfaltet sich – ähnlich wie in Thornton Wilders „Unsere kleine Stadt“ – ein ganzer Mikrokosmos menschlicher Sorgen und Nöte.
Romanze
Die unter häuslicher Gewalt leidende Gabriella (Maria Köstlinger) begehrt erst spät auf. Peter Scholz gibt den polternden Arne, Oliver Huether den rabiaten Dorfkrawallo Conny. Schmunzeln macht der geistig behinderte, aber musikbegeisterte Tore (Matthias Franz Stein).
So hat jeder im großen Ensemble sein kleines Solo.
Und einer wie Daniel, dem die Musik alles ist, hat es schwer mit sich selbst und mit der Liebe, sogar wenn ihm eine Frau von so elementarer Knusprigkeit wie die Verkäuferin Lena (Alma Hasun) begegnet. Überzeugend Michael Dangl als bigotter Pfarrer: Der angeblich für das Heil der Seelen zuständig ist. Der in allem, was der Chor tut, Sünde wittert. Der seine Macht schwinden sieht.
Manches erinnert an einen Film von Ingmar Bergman. Zum perfekten Déjà-vu fehlt vielleicht Liv Ullmann.
Obwohl auch Sona MacDonald als Stigs Frau Inger zuerst auf Liebesentzug und dann mit neu erwachter Sinnlichkeit auf Emanzipationstrip ihre vielen Talente herrlich ausspielt.
Die einfachen Themen sind alle da in der Geschichte eines Mannes, der auszieht, um zu sich selbst zu finden, und dabei ein ganzes Dorf aufmischt: Lust und Einsamkeit, Angst und Sünde, Neugier und Tod. Auch Heuchelei und Selbstzweifel, Selbstverleugnung und Selbsterfahrung. Aber mit Musik, das suggeriert „Wie im Himmel“, lässt sich ein Weg in die Herzen der anderen finden. Musik schweißt Menschen zusammen.
KURIER-Wertung:
Stück
Eine Lehrstunde in Sachen positives Denken und Glauben an die eigenen Fähigkeiten.
Inhalt
Stardirigent Daniel Daréus kehrt nach einem Herzanfall ins Dorf seiner Kindheit zurück, um dem Stress zu entfliehen. Als er die Leitung des kleinen örtlichen Kirchenchors übernimmt, ändert sich nicht nur sein Leben ...
Besetzung
Aus dem Ensemble herausra- gend: Sona MacDonald, Alma Hasun und Matthias Franz Stein.
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