Wie das Bild ins Buch kam: Große Ausstellung in der Albertina

Wie das Bild ins Buch kam: Große Ausstellung in der Albertina
Die materialreiche Schau „Foto.Buch.Kunst“ erzählt die Geschichte von Bildmedien in Österreich

Historische Fotografien erscheinen uns heute meist als Gucklöcher in ferne Zeiten: In Bildbänden oder auf Nostalgie-Blogs im Internet blicken wir auf das einstige Erscheinungsbild von Straßen, belächeln die Mode früherer Tage oder wundern uns über stereotype Darstellungen, mit denen sich Europäer einst andere Weltgegenden ins Haus holten.

Fast immer sind diese Fotos aber von dem Material abgelöst, an das sie einst gebunden waren: Wir haben für gewöhnlich keine Ahnung, wie jene Menschen, für die die Bilder ursprünglich gemacht wurden, diese sahen.

Die Albertina-Ausstellung „Foto.Buch.Kunst“ setzt hier an. Und weil Materialqualität dabei wichtig ist, zeigt sie kaum gerahmte Bilder an der Wand, sondern viele Exponate in Vitrinen: Prachtbände in dickem Leder, fein zusammengeschnürte Broschüren, Holzkassetten, ja sogar ein ausgestopfter Raubvogel wurde aus dem Naturhistorischen Museum herangeschafft. Eine Abbildung exakt desselben Vogels findet sich nämlich in einer Publikation aus dem Jahr 1874; Diese gab sich den Anstrich eines Vogel-Lehrbuchs, war aber eigentlich eher eine Werbebroschüre für einen Tierpräparator namens Ernst Hodek.

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Bild und Bildung

Dass die Fotografie ins Buch kam, hat also vielfältige Gründe – kommerzielle Absichten, Repräsentationsbedürfnisse, Aufklärungswillen und vieles mehr. Dabei war es technisch ein weiter Weg von den ersten Fotos bis hin zu den farbenreichen Publikationen, die wir heute Coffee-Table-Books nennen.

Monika Faber interessiert sich für all diese Aspekte der Fotogeschichte, was man auch in den Ausstellungen im „Photoinstitut Bonartes“ merkt, das sie seit 2011 leitet (s. unten). Davor war Faber Chefin der Albertina-Fotosammlung; unter ihrer Ägide übernahm das Museum das Archiv der Höheren Grafischen Lehr- und Versuchsanstalt, zu dem auch eine rund 30.000 Bände umfassende Bibliothek zählte. Mit Unterstützung des privat finanzierten Bonartes-Instituts wurde diese aufgearbeitet – „Foto.Buch.Kunst“ ist damit eigentlich die Spitze eines über Jahre gewachsenen Forschungs-Eisbergs.

Ein Grundinteresse für Fotogeschichte sollten Besucher von der Ausstellung wohl mitbringen, doch bietet die Schau auch Nichtfachleuten reichlich Gelegenheit, die sich wandelnde gesellschaftliche Rolle der Fotografie zu begreifen.

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Aufklärungsmedium

Wenngleich auch der 1839 erfundenen Daguerrotypie sofort ein großes Potenzial als Aufklärungs-Medium zugestanden wurde – viele verglichen die Erfindung mit Gutenbergs Buchdruck – so dauerte es doch noch lange, bis Fotografien druckbar wurden. Frühe Bild-Publikationen wurden noch mit eingeklebten Fotos versehen, die jeweils einzeln abgezogen werden mussten, was die Produktion solcher Bände langsam und teuer machte. Nur die High Society leistete sich damals Alben mit künstlerischen oder wissenschaftlichen Bildern.

Macht Druck

Die Erfindung des Lichtdruckes 1868 und der Heliogravüre 1879 – die Techniken werden im hervorragenden Katalog (Schlebrügge, 39,90€) erklärt – eröffnete schließlich die Möglichkeit zur massenweisen Vervielfältigung von Fotos. Die Prozesse verlangten Profis, was die Gründung von Schulen wie der Grafischen Lehr- und Versuchsanstalt nach sich zog.

In der Ausstellung sieht man Bände, die die Schule als Imagebroschüren produzierte, um die Meisterschaft diverser Druck- und Reproduktionstechniken zu demonstrieren. Zugleich zeigt die Schau die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten, die aus jenen Techniken erwuchsen – von wissenschaftlicher Dokumentation bis zur Sozialreportage und zur Gestaltung von Buchcovers.

In einer Zeit, die gerade eine Medienrevolution weg vom physischen Objekt durchmacht, mögen viele der Exponate fremd, ja exotisch wirken. Doch vielleicht ist gerade deshalb jetzt ein guter Zeitpunkt, sie zu zeigen: Der museale Blick auf vergangene Umbrüche kann als Hintergrund dienen, um den aktuellen Wandel zu begreifen.

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Die Fotografie mühte sich lange, als Kunstform wahrgenommen zu werden – der Sammlermarkt und die Forschung  hatten aber stets auch jene Bilder im Blick, die nicht vorrangig mit Kunstanspruch produziert wurden. Der Ausstellungsbetrieb in Wien spiegelt dies derzeit  konzentriert wieder: Neben der Schau „Foto.Buch.Kunst“ in der Albertina zeigt etwa das Fotomuseum Westlicht noch bis 21.7. eine Werkserie des Franzosen Édouard Baldus, die ursprünglich als Auftragsarbeit entstand.

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Baldus – ein findiger Pionier, der sich vor seiner Fotografenkarriere als Geldfälscher  versucht hatte – dokumentierte im Auftrag der Bankiersfamilie Rothschild um 1860 das damals neue französische Bahnnetz. Von seinem 70 Fotos umfassenden Album „Chemins de fer de Paris à Lyon et à la Méditerranée“ (Eisenbahnen von Paris nach Lyon und das Mittelmeer) haben sich nur acht vollständige Exemplare erhalten, eines davon erstand Westlicht-Gründer Peter Coeln für seine Sammlung. Die Fotos in der Schau, die neben Eisenbahnbrücken auch Monumente und Stadtansichten zeigen, bestechen durch  Klarheit und handwerkliche Perfektion.

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Im Photoinstitut Bonartes (Seilerstätte 22, 1010) ist noch bis 19. Juli die Schau „Liebhaberei der Millionäre – der Wiener Camera-Club um 1900“ zu sehen. Sie erforscht anhand exemplarischer Bilder und Publikationen, wie sich junge Enthusiasten zu einer Zeit, als Fotografie noch ein sehr kostspieliges Hobby waren, organisierten und Bilder produzierten. Der genannte Club war sozusagen der Treffpunkt Wiens für die „Rich Kids before Instagram“, zur Schau ist  eine Publikation erschienen (Fotohof, 19,90€). 

Passend  dazu sei noch auf die liebevoll gestaltete Publikation „Reisen, so sagt man, ist eine Wissenschaft“ verwiesen, die  Simon Weber-Unger  herausgegeben hat (Album Verlag, 29 €). Sie versammelt und erläutert fotografische Dokumente von Forschungsreisen und Expeditionen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts.

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