Werk X: Eine Winterreise in die soziale Kälte
Thomas Sehl, besser bekannt als Mastermind der Polit-Post-Punk-Band Die Goldenen Zitronen unter dem Namen Schorsch Kamerun, hat einen Liedzyklus geschrieben: eine "Winterreise", wie auch ein Song, der letzte, heißt. Es geht um den Zustand in Europa, um den Umgang mit dem und den anderen, um die soziale Kälte, die einen frösteln macht.
Im Werk X durfte Sehl den Zyklus zu einem "Opernspektakel" aufbauschen: Unter dem Titel "Me Are The World" wollten er und sein Team sich, so das Programmblatt, trauen, "einen letzten Gegenentwurf zum alles einfrierenden Protektionismus des ,ME first‘ zu riskieren". Von "Gegenentwurf" zu sprechen, ist allerdings ein bisschen weit hergeholt: Sehl – als solcher stellte er sich zu Beginn der Uraufführung vor – beschreibt in seinen Songtexten lediglich die Zustände. Zumeist wirft Sehl, der "Artenschutz" etwas holprig auf "Naziwitz" reimt, mit abgedroschenen Schlagworten um sich, ergänzt um österreichische Besonderheiten wie Lugner City und Sebastian Kurz. Aber man hört ihm bei seinem Lamento (zusammen mit Musiker PC Nackt) gerne zu. Und als einer der Höhepunkte klagt ein Mann im Smoking, Schubert zitierend, über die "bitt’re Kälte".
Auf Wanderschaft
Man hat dies aber leider über Kopfhörer zu tun. Denn geleitet von bizarren Hostessen begibt man sich auf Wanderschaft durch alle drei Ebenen des Theaters im ehemaligen Kabelwerk. In diesem "Zentrum für Identitätenfindung" mit seinen lavendelfarbenen Markierungen herrscht kreatives Chaos: Man stößt u. a. auf Performer in aufgeblasenen Anzügen und Texte zum Thema einer Klasse der Schule für Dichtung. Das Brimborium hätte es aber nicht gebraucht. Die ausgestellten Geräte des Museums der Heizkultur (diverse Öfen und Wärmespender) sind schon – wie der Wald aus weißen Plastiktannen – Metapher genug.
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