„Wenn’s auch fesch ist, ist es praktisch“
Bei der Architektur-Biennale in Venedig 2004 ließen sie es wochenlang von einer aufblasbaren Kunststoffwolke regnen und machten so auf sich aufmerksam. Und dem immer noch von Autos befahrenen Hauptplatz der Kulturhauptstadt Linz 2009 verpassten sie ein riesiges rot-weiß kariertes Tischtuch.
Ob das „Haus Rock“ in Wien fürwitzig übereinandergestapelt erscheint oder das „Haus am Berg“ mit spektakulärer Aussicht über Linz als Wohnskulptur gestaltet ist:
„Architektur soll Spaß machen“, haben die Caramel Architekten postuliert. Ihre Ideen und Entwürfe provozieren oft ein Lächeln.
Die Idee war, „mit einem Augenzwinkern das Innenraum-Element des karierten Tischtuchs hinaus zu tragen, damit die Leute den Platz auch konsumieren“.
Häuser für jedermann
Seit 20 Jahren planen und kreieren Günther Katherl, Martin Haller und Ulrich Aspetsberger originelle und innovative Projekte. Und sie haben es gern, „wenn die Ergebnisse schon auf den ersten Blick erfreulich sind“.
„Der ganze naturwissenschaftliche Teil der Fakultät wird auf ehemaligen Sportanlagen Richtung Osten sukzessive erweitert. Und da entstehen gerade die letzten beiden Bauteile dieses Campus.“
Jede Ausschreibung, jede Aufgabe ist ein neuer Anfang. Eine Herausforderung. Die sehr individuelle Gestaltung privater Wohnhäuser wird als wunderbar und zugleich anstrengend empfunden, ist doch das Bauwerk bis ins letzte Detail auf die Bedürfnisse der Nutzer abzustimmen.
Der Aufwand für maßgeschneiderte Lösungen ist hoch, der kooperative Prozess mit privaten Bauherren mitunter mühsam, und das Honorar in der Regel zum Leben zu wenig.
Obwohl es für Caramel mehrere Preise und viele Publikationen gibt – etwa 2004 zum zitronengelben „Haus Lina“ in Linz, einer kompakten, 66 großen hölzernen Wohnbox mit Komfort für Mutter und Kind.
Wie ein Wohnmobil ohne Räder wirkt der temporäre Erweiterungsbau, der dann doch nicht in Serie ging. „Denn ehrlich gesagt, kostet ein kleines Haus mit allem Drum und Dran pro Quadratmeter mehr als ein großes.“
KURIER Talk mit dem Architekten Ulrich Aspetsberger
Science Park Linz
Spektakulär sollte auf Wunsch des Rektors der Science Park Linz als umfassende Erweiterung der Johannes Kepler Universität werden. „Die begleitet uns schon seit fast 15 Jahren, und da geht es um 110.000 Quadratmeter Nutzfläche“, so Aspetsberger
Und wie die Teile der lang gestreckten Baukörper beim bisher größten Caramel-Projekt mit Höhensprüngen und Knicken dynamisch aus der Reihe tanzen, aber gleichzeitig auf die geschichtsträchtigen, benachbarten Bauten reagieren, ist tatsächlich spektakulär.
„Sogar auf den ersten Blick“, sagt Aspetsberger. „Es gab positive und negative Reaktionen. Auf jeden Fall gab es jede Menge Diskussionen.“
Der Grundriss: luftig, spielerisch. Die Herausforderung: Wie plant man ein Gebäude ohne Kopf?
„Man fängt bei den Schultern an“, sagt Katherl. „Dadurch kam es zum Spiel mit Knicken und Sprüngen, zuerst über den Grundriss, dann über den Schnitt bis zur Fassade. Am Ende schaut jetzt alles so aus, wie wir es uns erträumt und wie wir es für den Wettbewerb skizziert hatten.“
Als wollte man sagen: Architektur kann nicht nicht kommunizieren, zwingt sie in ihrer Außenwirkung den Nutzer und Betrachter, Stellung zu beziehen.
Aspetsberger: „Unser Hauptinteresse war, Licht und Kommunikation ins Gebäude zu bringen.“ Und obendrein sei es der am weitaus kostengünstigste Universitätsbau des Landes, betont Katherl.
Nachsatz: „Was man hoffentlich nicht bemerkt, wenn man sich den Science Park Linz anschaut.“
Am Ende im Wettbewerb nicht durchsetzen konnten sich Caramel bei der Linzer Post City, dem neuen Stadtviertel für rund 5.500 Menschen rund um den Hauptbahnhof. Kritik hatte sich an der dort verfehlten Stadtplanung und an den elf bis zu 65 Meter hohen Türmen inmitten von Westbahn und Autobahntrasse entzündet.
„Man hätte es eigentlich wissen können, was man dort wollte, nämlich Hochhäuser“, so Aspetsberger, der diese Vorstellung einer modernen Stadt für überholt hält.
„Es hätte die Chance gegeben, dort endlich einmal einen grünen Stadtteil zu entwickeln – mit Regenwassernutzung, begrünten Fassaden und Dächern und einer Maßstäblichkeit von Plätzen, die eher an Altstadtsituationen erinnern.“
Wohnbau
Ums Leben im Garten und Wohnen im Grünen, und das auf allen Ebenen der dreigeschossigen Innenhofbebauung, ging es vor zwei Jahren beim „Haus Marie“, einem ehemaligen Winzerhaus im Zentrum von Baden bei Wien.
Die Caramel Architekten verwandelten es in ein Domizil mit Dachgarten für eine fünfköpfige Familie. Sie haben schon eine Reihe von Einfamilienhäusern entworfen, „obwohl immer mit schlechtem Gewissen, wenn es darum ging, irgendwelche Siedlungsräume nach außen quel-len zu lassen“, so Aspetsberger.
„Aber Nachverdichtungsprojekte auf einem bereits aufgeschlossenen Areal mit Kanal und Zufahrtsstraße wie beim Haus Marie machen wir sehr gerne. Das macht Spaß, auch weil man sonst nie mit einem Bauherren in so unmittelbaren Kontakt kommt.“
Aber viele und – wie manche meinen – teils entbehrliche Bauvorschriften und „eine unglaubliche Vielfalt von sich zum Teil widersprechenden Normen“ machen das Wohnen in Österreich teuer“, klagt Aspetsberger.
„Normen sind eigentlich nur ein Werkzeug. Aber sie werden von den Baubehörden in der Zwischenzeit so ernst genommen, dass sie fast Gesetzescharakter haben.“
Für nachhaltiges Bauen sieht der Architekt schon einige Ansätze und findet, dass es wirklich Sinn macht, dafür zu kämpfen.
„Es ist ein bisschen mein Steckenpferd, genau das mit zu tragen und unter anderen diese Themen publik zu machen: Wie vermeiden wir eine weitere Verhüttelung? Wie lässt sich der Ortskern beleben? Wie lassen sich Pendlerbewegungen verhindern?“
Für den Kulturtheoretiker Bernard Rudofsky war Architektur nicht nur eine Frage der Technik und Ästhetik, sondern der Rahmen für eine – im besten Fall vernünftige – Lebensweise.
Pendlerwahnsinn
„Völlig richtig“, sagt Aspetsberger und registriert ein Rückbesinnen auf die Tradition alter Bauweisen mit Materialien wie Holz und Lehm. Ein Dorn im Auge ist ihm aber der „Pendlerwahnsinn in Österreich“, wobei die Menschen „mit mindestens einem Auto pro Person in die Städte zur Arbeit ein- und auspendeln“.
„Da ist die momentane Situation vielleicht eine Chance, das zu überdenken. Wir müssen unsere Lebensweise auch insofern dringend ändern, als der Flächenverbrauch auf mindestens ein Zwanzigstel eingeschränkt werden muss. Wir haben ungenützte Brachen herumstehen, weil es billiger ist, eine neue Halle daneben hinzustellen. Da ist die Politik gefordert, Maßnahmen zu setzen.“
Und wie sieht das ideale, das ultimative Haus aus?
„So klein wie möglich, so ökologisch wie möglich, so sinnvoll wie möglich. Man hat den Bauherren entsprechend geschult, man hat nachverdichtet, man kann das Haus wieder wegräumen. Es ist aus nachwachsenden Baustoffen errichtet. Wenn es dann auch noch irgendwie fesch ist, ist es praktisch.“
2001 gründeten Martin Haller, Ulrich Aspetsberger (im Bild rechts) und Günter Katherl das Büro Caramel Architekten.
Mit einem stetig wachsendem
Team realisieren sie Bauvorhaben unterschiedlicher
Größenordnung in ganz Österreich von Vorarlberg bis Wien
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