Plädoyers für das Lesen

Bücherkasten, Bücher kostenlos ausleihen, Buch tauschen, lesen
Schriftsteller sorgen sich um die reinen Online-Leser – aktuelle Studien bestätigen ihren Pessimismus.
Von Uwe Mauch

Die Fahrt mit der Wiener U-Bahn macht schon nach wenigen Stationen klar, warum sich der deutsche Schriftsteller Friedrich Denk in seinem Buch Wer liest, kommt weiter (Gütersloher Verlagshaus, 287 Seiten, 20,60 €) ernsthaft Sorgen macht: Die einen klammern sich an das Wenige, das die U-Bahn-Zeitung bietet; andere halten sich an ihren Smartphones fest.

Nur mehr selten nimmt jemand eine seriöse Zeitung oder gar ein Buch zur Hand.

Denks Befund am Vorabend des diesjährigen Welttages des Buchs (der wurde 1995 von der UNESCO ausgerufen und erinnert an die Todestage von Cervantes und Shakespeare) ist von Pessimismus getragen: Seit die Mobilnetze auch in den Tunneln der Städte Signale empfangen können, sind die elektronischen Geräte die neuen Leitmedien. Darin wird wohl auch gelesen, wenigstens teilweise. Fakt ist, dass die Fähigkeit zu lesen und zu schreiben laut aktueller Studien deutlich nachlässt.

Die US-Neurologin Maryane Wolf hat jüngst in ihrem Buch „Das lesende Gehirn“ den Paradigmenwechsel vom analogen zum digitalen Lesen konstatiert – mit weitreichenden Folgen. Das Lesen in einem Buch oder in einer Zeitung fördere die Vertiefung in ein Thema, das Klicken in den Online-Welten diene in erster Linie der Zerstreuung. Der deutsche Gehirnforscher Manfred Spitzer formuliert es so: „Das Lesen von Textfragmenten verringert langfristig unsere Fähigkeit zu denken.“

Training für den Geist

Schriftsteller Denk geht in seinem neuen Buch der Frage nach, welche Vorzüge das Lesen von Büchern und Zeitungen hat. Anhand von Texten aus der deutschen und der Weltliteratur führt er den Beweis, dass das Lesen in einer komplexer werdenden Wirtschaftsgesellschaft als eine Schlüsselkompetenz immer wichtiger wird.

Und er wiederholt auch heuer den von ihm initiierten Appell für das Lesen zum Welttag des Buches. Den haben vor drei Jahren namhafte deutsche Autoren und Journalisten unterzeichnet.

In der Erklärung wird auch der britische Publizist und Politiker Joseph Addison zitiert. Der formulierte schon vor 300 Jahren: „Was der Sport für den Körper, ist das Lesen für den Geist.“ Heute wird er von der modernen Gehirnforschung bestätigt: Wer öfters längere Texte liest, trainiert dadurch sein Gedächtnis und schützt sich unter anderem vor Demenz.

Zwar halten all die Entscheidungen, die vor einer Internet-Seite zu treffen sind, auch fit, wirklich in die Tiefe führen nur gedruckte Texte. Gehirnforscher Spitzer bestätigt, dass man sich mit ausreichend Vorwissen „die letzten Krümel der Information“ auch im Internet besorgen kann. Haken daran: „Man kann sich dieses Vorwissen nicht durch digitale Medien aneignen.“

Ein Experiment an der Universität im französischen Rennes lässt da keine Zweifel offen: eReader konnten am Ende nur 20 Prozent eines Online-Artikels für sich behalten.

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