Wecker: Ein Revoluzzer aus Überzeugung
Mit 64 Jahren ist er wieder der alte Revoluzzer, der politisch engagierte Poet, als der er bekannt wurde vor bald 40 Jahren mit Songs wie "Willy" und "Genug ist nicht genug". Nur dass er Aufbegehren heute als Bauplatz für die Zukunft und nicht als Auktion der Vergangenheit versteht. Sicher, es habe schon ein Weilchen gedauert, sich daran zu gewöhnen, jetzt ein "älterer Herr" zu sein, sagt Konstantin Wecker. Und er sagt es nicht einmal kokett.
Das Herz schlägt links
Mehr als 600 Lieder hat er geschrieben, Filmmusiken und Musicals komponiert. Die neue CD "Wut und Zärtlichkeit" (Label: Laut Luise / Sturm & Klang) mit Gastkünstlern wie dem Sizilianer Pippo Pollina und dem Linzer Spring String Quartet ist in ihrer aufrührenden Leidenschaft ein für den Münchner Liedermacher typisches Studio-Album. Ein starkes obendrein - und das erste nach sechs Jahren Auszeit.
"Mir ist lange einfach nichts eingefallen", sagt er im KURIER-Gespräch mit entwaffnender Offenheit. Erst im Jänner in der Toskana hätten es die Musen dann gut gemeint mit ihm. Da schrieb er sich in nur vier Wochen ein ganzes Album von der Seele.
Was ihn wütend macht? Die Politik der Unfähigen, die Ungerechtigkeiten in der Welt und die Finanzbranche, die sich "verselbstständigt hat zu einem Moloch, der alles auffrisst und vor allem die Demokratie gefährdet".
Plädoyer für Veränderung
"Absurdistan", eine sehr melodische Rocknummer, und "Die Kanzlerin", hintersinnig-ironisches Kabarett in Wort und Ton, sind eine sarkastische Abrechnung mit Politik und Wirtschaft. Und der Refrain im Lied über Angela Merkel heißt: "Wir werden vom schönsten Lächeln dieser Welt regiert."
"Empört Euch" ist ein Appell, sich einzumischen, inspiriert
von Stéphane Hessel, der schon 1948 für die Menschenrechte und gegen Diktatur, Unterdrückung und Finanzkapitalismus kämpfte.
Herzbewegend dann die Liebeslieder: "Weil ich dich liebe" im Reggae-Sound lässt auch Medusen, Venus und Orpheus auftreten, und der "Schwanengesang" trägt Trauer und ist doch nicht hoffnungslos.
Lyrisch und zum Dahinschmelzen: "Buona notte".
Stilistisch überraschend vielfältig ist "Wut und Zärtlichkeit" geworden: Da stehen neben lyrisch-sensiblen Stücken mit Klavier- und Streicherbegleitung Reggae-, Pop- und elektronische Trash-Rhythmen ebenso wie Filmmusik-Anklänge.
Auf der Sinnsuche Nach wie vor sei er "auf der Suche nach einer gerechteren Welt und dem inneren Frieden", sagt Wecker. Und den finde wohl nur, wer sich selbst treu bleibt und sich einmischt, aktiv wird und seiner Wut und Zärtlichkeit freien Lauf lässt. Denn: "Es gibt nichts Gutes, außer man tut es."
Das ist ein gut gemeinter Aufruf zu handeln bei "Damen von der Kö", einer Abrechnung mit den "Reichen, Schönen und Oberflächlichen". Und im Stile von Brecht/Weill geht's in "Der Virus" den Börsianern, die uns regieren, an den Kragen.
Seit 20 Jahren beschäftigt Wecker der Buddhismus: "Ich sehe ihn nicht als Religion, sondern als ganz konkrete Lebenshilfe." Im Buch "Es geht ums Tun und nicht ums Siegen" (Kösel Verlag) sprechen der ewige Idealist und der amerikanische Zen-Meister Bernard Glassman über weises Handeln.
Die Männer verbindet viel: ihre nicht nachlassende Kraft, eine durch Krisen und Schicksalsschläge gereifte Lebenserfahrung und die Erkenntnis, dass nur Handeln und Mitgefühl die Welt verändern können.
"Die Zärtlichkeit hilft mir, nicht an der Wut zu ersticken", so Wecker. Der auf der CD "Wut und Zärtlichkeit", sagt er, sei der "alte Wecker auf eine andere Weise". Demnächst auch wieder live: Am 14. 2. 2012 im Wiener Konzerthaus, in Kufstein (21. 4.) und im Linzer Brucknerhaus (24. 4.).
KURIER-Wertung: **** von *****
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