Was ist ein Tiroler?

Bernd Schuchter
Die "Gebrauchsanweisung" des Innsbruckers Bernd Schuchter hilft beim Umgang mit den Bewohnern, die als stur gelten - und schön.

Der Innsbrucker Bernd Schuchter – 40-jähriger Autor und Verleger (Limbus Verlag) – hat eine "Gebrauchsanweisung für Tirol" geschrieben, damit das Zusammenleben einfacher wird.

Tirol gehört immerhin seit 1363 zu Österreich, und da wird es jetzt langsam Zeit, dass man mehr über die mittlerweile 500.000 Bewohner weiß ... und nicht ins Fettnäpfchen steigt, wenn man einem begegnet.

KURIER: Was sollte ein Ostösterreicher zu einem Tiroler niemals sagen bzw. worüber sollte er lieber nicht diskutieren?

Bernd Schuchter: Alle Sätze mit Lederhosen, das will der Tiroler nicht mehr hören. Nein, im Ernst: Die Themen Andreas Hofer, Südtirol und Skifahren sollte man vermeiden, da verstehen die Tiroler keinen Spaß, da wird es bierernst.Und warum?Weil jeder Tiroler zum Dreigestirn Andreas Hofer, Südtirol und Skifahren eine klare Meinung hat, die feststeht und nicht verhandelt werden kann. Das liegt daran, dass der Tiroler wie niemand sonst in ganz Österreich eine permanente Nabelschau betreibt: Wie schön das Land ist, die Berge, der Schnee; und natürlich auch die Bewohner, diese sturen, widerständigen Menschen aus den Bergen. Daraus speist sich ihr Stolz, auf ihr Land und sich selbst. Das ist identitätsstiftend. Vielleicht verwechseln die Tiroler dabei aber manchmal ihr Land mit sich selbst.

Darf man laut fragen, warum die Geschichte der Blasmusikkapellen, der Trachten- und Schützenvereine samt Verwicklungen in der Nazizeit noch immer nicht aufgearbeitet ist?

Im Bierzelt darf man diese Frage vermutlich nicht zu laut stellen, manche Blasmusikkapellen, Trachten- oder Schützenvereine sind da geradezu geschichtsvergessen und revisionistisch. Da geht es dann um Tradition und Heimat, was zu einem identitätsstiftenden Brei gerührt wird, den man auch von Schlagerstars der Volksmusik kennt. Es gibt aber auch – wenngleich zögerlich und umstritten – Versuche, ein wenig Licht in das Dunkel zu bringen. Der Musikhistoriker Kurt Drexel hat mit "Klingendes Bekenntnis zu Führer und Reich" vor ein paar Jahren ein unbequemes Buch zum Thema geschrieben. Und wenn wie heuer beim Münchner Oktoberfest zwei Musikkapellen aus dem Zillertal den Standschützenmarsch von Sepp Tanzer – unter den Nazis die höchste musikalische Instanz des Gaues – spielen, dann bleibt das nicht unwidersprochen.

Wissen Sie jetzt, nach Ihrer derart umfangreichen Beschäftigung, was Tirol denn zu Tirol macht?

Es ist mir, so viel ich mich mit Tirol beschäftigt habe, ein immer größeres Rätsel geworden, warum Jahr für Jahr so viele Menschen als Touristen nach Tirol kommen – bis ich es doch noch ein wenig verstanden habe: Während ich auf die hässlichen Hotelburgen im Tal unten schaue, blicken die Touristen in die Höhe, auf die Berge und die gepflegten Almwiesen samt weidender Kühe. Das ist schon schön. Die Natur und die Berge, das Wasser, die Infrastruktur – Tirol lebt wohl von der Gnade seiner geografischen Geburt inmitten Europas.

Von dem, was Heinrich Heine ums Jahr 1830 notiert hat: Was stimmt? Dass Tiroler schön sind? Heiter? Ehrlich? Brav? Von unergründlicher Geistesbeschränktheit?

Es stimmt wohl alles ein wenig; die Schwierigkeit besteht ja darin, die Kunst der Ironie zu beherrschen – und Heinrich Heine war darin eben Meister. Und ja, die Tiroler können schon auch über sich selbst lachen.

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Die Wien-Präsentation des Buches ist Mittwoch, 29. 11., hinter dem Stephansdom in der Buchhandlung Tyrolia. Beginn 18.30 Uhr.


Bernd
Schuchter:

„Gebrauchs-
anweisung für Tirol
Piper Verlag.
211 Seiten.
15,50 Euro.

KURIER-Wertung: ****

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