Warum Picasso wieder regiert

Picasso-Figur von Maurizio Cattelan in der Schau "Picasso in der Kunst der Gegenwart", Deichtorhallen Hamburg.
Rekordpreisen steht ein neu erwachtes Interesse an Picassos Werk in der Gegenwartskunst gegenüber.

Es gibt kein rundes Jubiläum zu feiern – und doch ist Pablo Picasso „Jahresregent“ in der Kunstwelt anno 2015.

Warum Picasso wieder regiert
Pablo Picasso (1881-1973), Les femmes d'Alger (Version 'O'), gemalt am 14 Februar 1955. Verkauft am 11.5.2015 um rund 179,4 Mio. US-Dollar
Die hohe Aufmerksamkeit liegt teilweise amPreisrekordvon 179,4 Millionen US-Dollar, den das Gemälde „Les Femmes d’Alger (Version "O") am 11. Mai in New York erzielte. Vier der zehn teuersten jemals auktionierten Werke sind damit Picassos. Er ist der einzige Künstler, von dem drei Werke bei Auktionen über 100 Millionen Dollar erzielten. Und der Spanier ist nach wie vor eine unübertroffene Marktmacht: Rund 3,3 Milliarden Euro wurden im Vorjahr bei Auktionen für moderne Kunst umgesetzt. Rund zehn Prozent dieser Summe - laut Berechnung der Marktanalysten "Skates"345,101,066 US-$- wurden dabei alleine für Werke Picassos ausgegeben.

Neue Perspektiven

Große Auktionen und Ausstellungen zum Werk des Klassikers sind jedoch kein Novum – was 2015 neu ist, ist das erstarkte Interesse der Gegenwartskunst an dem spanischen Über-Künstler. Gerade die Entrückung des Meisters in die abgehobenen Sphären des Kunstmarkts stellt Publikum, Künstler und Fachwelt offenbar vor die Aufgabe, den Klassiker neu zu bewerten. Was bedeutet Picasso heute noch? Welche Relevanz haben seine Werke abseits der Geldanlage?

Gleich drei Ausstellungen widmen sich heuer unabhängig voneinander den aktuellen Echos auf Picasso. In der Schau „Picasso in der Kunst der Gegenwart“, mit der die Hamburger Deichtorhallen ihr 25-jähriges Bestehen und ihre Renovierung zelebrieren (bis 12. Juli), ist kein einziges Werk des Spaniers zu sehen. Der Boom am Kunstmarkt mag daran Anteil haben: Wo der Marktwert steigt, steigen auch Versicherungssummen, und so ist es günstiger, Werke weniger hochpreisiger Künstler zu leihen und zu transportieren.

Die teuersten Kunstwerke der Welt

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Klimt

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EPAepa03204327 The painting The Scream by Norwegian artist Edvard Munch at Sothebys Auction House in New York, New York , USA, 02 May 2012. The painting sold for 107 million US dollars (81.30 million Euros) with a buyers premium bringing the total price t

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BRITAIN USA CHRISTIES PICASSO PAINTING

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PICASSO'S LE REVE OF GANZ COLLECTON TO BE AUCTIONE

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BRITAIN ARTS

Vatermord

Doch die neue Aufarbeitung von Picasso ist auch ein Akt der Emanzipation. Als Patriarch der Moderne versprühte der Künstler lange das, was der Literaturtheoretiker Harold Bloom „Einflussangst“ nannte: Seine Übermacht drohte die Innovationen der Nachfolgegenerationen zu erdrücken.

In den Deichtorhallen ist nun die Lust zu spüren, Picasso vom Sockel zu stoßen: Da empfängt einen Maurizio Cattelans überdimensionale Pablo-Figur, die 1998/’99 den Besuchern des New Yorker MoMA die Hände schüttelte, wie es sonst Micky Maus im Disneyland tut. Die Wiener Gruppe Gelatin zeigt ein Plastillin-Bild, das nach Picassos politischem Hauptwerk frech „Guernica“ benannt wurde.

Warum Picasso wieder regiert
Das Konterfei des Künstlers selbst bietet ebenfalls Angriffsfläche: Hans-Peter Feldmann: Ohne Titel (zu sehen in Hamburg)
Das einst übliche Abarbeiten am Formenvokabular des Meisters – die Hamburger Schau zeigt Werke von Paul Klee oder Maria Lassnig als Beispiele – ist für die Künstler der Gegenwart aber passé. „Picasso ist für mich so weit weg wie Gustav Klimt oder Egon Schiele“, sagt die Künstlerin Deborah Sengl im Katalog zur Schau „Nach Picasso“, die imForum Frohner Kremsheimische Positionen versammelt (bis 27. 9.).

Das „Prinzip Picasso“ findet sich bei vielen dieser Künstler im Versuch wieder, in der chaotischen Bildwelt unserer Zeit eine Art Ordnung zu schaffen. Mehrfach-Ansichten von Gesichtern – ein „Markenzeichen“ Picassos – sind nicht mehr die letzte Weisheit der Avantgarde, aber eine Möglichkeit, Bilder zusammenzubringen.
In diesem Sinn markiert der Rekordwert Picassos am Markt einen Neubeginn im Nachleben des Künstlers: Die Meisterwerke sind in Museen und Zollfreilagern der Superreichen einbalsamiert, der Mythos ist entzaubert – und Picasso darf locker als Einfluss gehandhabt werden.

Die Zugkraft des Namens „Picasso“ bleibt dabei ungebrochen. Dass auch große Ausstellungshäuser den Geniekult in gebrochener Form servieren, zeigt aber, dass auch die Picasso-verarbeitende Industrie mit der Zeit geht. Es wird spannend sein zu sehen, welche Balance von Ehrfurcht und Frechheit die nächste Großausstellung in Paris (ab 7.10.) trifft.

Picassos Echo in der Gegenwartskunst

Les Femmes d’Alger - Version "O"“ erzielte am 11. Mai 2015 mit 179,4 Mio. US-$ den höchsten Preis für ein Kunstwerk bei einer Auktion. In den Top Ten der höchsten Auktionsergebnisse ist Picasso vier Mal vertreten: „Akt, Grüne Blätter und Büste“ brachte 2010 bei Christie's 106,48 Mio. US-$, „Garçon à la Pipe“ brachte 2004 bei Sotheby's 104,16 Mio. US-$, „Dora Maar au chat“ brachte 2006 bei Sotheby's 95,21 Mio. US-$.

Die Deichtorhallen Hamburg zeigen bis 12. 7. „Picasso in der Kunst der Gegenwart“. Das Forum Frohner in Krems zeigt bis 10.5. „Nach Picasso – auf Spurensuche in der jungen österreichischen Kunst“ (www.forum-frohner.at) Von 7. 10. 2015 bis 29. 2. 2016 zeigt das Grand Palais in ParisPicasso-Mania“.

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