Warum flüchten viele Europäer nach Afrika?

autor Omar El Akkad
Im aufsehenerregenden Roman "American War" von Omar El Akkad wurde die Welt gekippt. Und Hass ist wie Honig.

Die USA sind kleiner geworden. Durch Trump sowieso. Aber in ein paar Jahrzehnten werden wegen des Klimawandels weite Teile unter Wasser verschwunden sein.

Florida ist zur Gänze untergegangen und heißt jetzt Floridameer.

Es gab Bürgerkrieg zwischen Nord und Süd, den zweiten amerikanischen Bürgerkrieg: Die Nordstaaten hatten, als die Bedrohung unübersehbar wurde, fossile Brennstoffe verboten, die Südstaaten spalteten sich ab, der US-Präsident wurde in die Luft gesprengt usw.

Mit Viren wurde und wird gekämpft; um die Rebellen – drastisch – zu beruhigen, wurde ganz South Carolina verseucht.

Und auch nach Ende des Kriegs mit Millionen Flüchtlingen in Lagern und der Wiedervereinigung im Jahr 2095 regiert der Terror.

Mexiko nützte die gute Gelegenheit und besetzte Texas.

Kein Vergleich

Omar El Akkad kämpft mit seinem Roman "American War" gegen eine derartige Zukunft. In Amerika hat er damit Aufsehen erregt.

Vergleiche mit Cormac McCarthys "Die Straße" sind idiotisch. McCarthy erzählte "seinen" Weltuntergang sparsam, wortkarg, und seine Geschichte von Vater und Sohn ist zum Weinen.

"American War" aber ist üppig angelegt, ein Ölgemälde, eine Collage mit – fiktiven – Weltnachrichten. Staunen muss man darüber. Zur Besinnung kommen vielleicht. Aber nicht weinen.

El Akkads Vision ist kühn, ist verwegen – und nicht so weit hergeholt.

Der Kanadier mit Geburtsort Kairo ist Journalist, er war Kriegsreporter in Afghanistan und im Irak und hat viel von dem, was er dort sah, für den Roman in die USA transportiert.

Vor allem die Folgen für die Zivilbevölkerung: "American War" erzählt von einer Mutter mit drei Kindern bzw. von der einen Tochter Sara T. Chestnut, die am Anfang Honig in die Astlöcher im Fußboden rinnen lässt.

Sie wundert sich, dass der Honig hart wird, aber immer Honig bleibt.

Man selbst wundert sich zunächst über die Bedeutung dieser Szene. Aber es wird bald klar:

Genau so ist es mit dem Hass, der in die Menschen tropft, sich ausbreitet … sodass dann sogar ein Kriegsopfer wie Miss Sara T. Chestnut dazu bereit ist, Terror auszuüben und 110 Millionen Menschen zu töten. Geht ganz einfach.

Kairo im Zentrum

El Akkad hat die Welt bloß gekippt, so hat er in Interviews gesagt: Amerika hat am Ende des Jahrhunderts nichts mehr zu melden und braucht Hilfe – Kairo ist die Hauptstadt eines neuen mächtigen Reiches.

DIESES Bild hat der 35-Jährige leider nicht so detailreich ausgeführt: Weil nun die Sonne der größte Energielieferant ist, ist Afrika sehr reich geworden, und die armen Europäer fliehen in desolaten Booten übers Meer.

Elende Wirtschaftsflüchtlinge halt.

Omar El Akkad:
„American War“
Übersetzt von
Manfred Allié und Gabriele Kempf-Allié.
S. Fischer.
445 Seiten.
24,70 Euro.

KURIER-Wertung: **** und ein halber Stern

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