Warum der Mond über Belfast totenbleich ausschaut

Sam Millar lebt wieder in Belfast und schreibt über Bestien
Jetzt ist klar, wieso in den Bestsellern des Nordiren derart viele Bestien unterwegs sind.

Der Mond über Belfast schaut in den Krimis von Sam Millar immer traurig und totenbleich aus wie ein Hoden ohne Sack.

Dass mitunter ein Kätzchen einen Finger durch die Stadt trägt, dass Menschen wie Gänse gemästet werden und ihnen die Haut abgezogen wird ... das verwundert vielleicht, und der heute 59-jährige Millar selbst hat auf die KURIER-Frage, wieso in seinen aufregenden Büchern alles derart böse ist, geantwortet:

"Wer meine Memoiren gelesen hat, der wird mich völlig verstehen. Hoffe ich."

Und so ist es.

Der Mond über Belfast wird nicht strahlen, solange die Gefängniswärter im berüchtigten The Maze, die folterten, vergewaltigten, misshandelten, nicht vor Gericht gestellt werden.

Millar kann ihn nicht strahlen lassen: Manche Wärter bekamen Orden ...

Kein Thriller

Das Rolling Stone Magazine hat "On The Brinks" (2003) einen "Thriller" genannt.

Spätestens bei der Übersetzung unter dem so deutschen Titel "True Crime" lässt sich sagen: Stimmt nicht.

Millars Lebensgeschichte ist, wenn sie von Nordirland erzählt, eine griechische Tragödie.

Warum der Mond über Belfast totenbleich ausschaut
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Die Gefängniskarriere begann, als sein rebellischer Vater "Big Sam", der IRA-Leuten Unterschlupf und Essen gab, nicht zu Hause war und die britische Armee stattdessen den 17-Jährigen mitnahm.

Der Richter, Sohn eines stadtbekannten Katholikenhassers, sah im Burschen – den damals vor allem Superhelden-Comics interessierten – einen Terroristen.

Unrecht machte ihn dann tatsächlich zum Kämpfer. Nackt in der eiskalten Zelle, mehr als sieben Jahre. Unter Wasser getaucht, die Hoden blutig getreten ... und schlief er mit offenem Mund, pinkelte ein Wärter hinein.

Millar hielt durch.

Danach, als er Nordirland 1984 verließ, als er nach New York ging, wo er sich als Croupier ausbilden ließ – danach ist Zeit für eine Tragikomödie:

Der Überfall aufs Gelddepot der Firma Brink’s Sicherheitstransporte ging so einfach. Spielzeuggewehre reichten.

Große Hilfe

Schwieriger war es, die Beute – fast acht Millionen Dollar in kleinen, nicht registrierten Scheinen – zu veranlagen.

Ein irischstämmiger Priester half Sam Millar sehr gern beim Aufbewahren. Oder was. Gab er es an Obdachlose weiter? Überwies er es an die IRA?

Jedenfalls verschwand der Großteil auf Nimmerwiedersehen, bevor das FBI Millars eben eröffnetes Comics-Geschäft stürmte.

Der USA-Teil ist wie eine Draufgabe. Der Nordirland-Teil ist notwendig. Er muss gehört werden, immer wieder. Bis er hängen bleibt. Wie der traurige Mond.

KURIER-Wertung:

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