Wanda: Poesie im Vollrausch

Wanda Band
Zum Tourstart spricht Marco Wanda über schlechte Poesie und die imaginäre Tante in Bologna.

Marco Michael Wanda, Sänger von Wiens Durchstarter-Band Wanda, liebt die Dichter der Wiener Gruppe. "Vor allem den Ansatz, dass man auch um vier Uhr früh mit Vollrausch in einer Bar imstande sein muss, Poesie zu schreiben", erklärt er im Interview mit dem KURIER. "Fast alle Songs unseres Debüt-Albums ,Amore‘ sind so entstanden."

Der Frontmann und Songwriter lacht, deutet so an, dass das vielleicht doch nicht die Wahrheit ist. Festlegen, welcher Titel tatsächlich ein paar Vierterln zuschulden ist, will er sich nicht. Obwohl leere Flaschen, Schnaps und späte Stunden gern in den rockig-poppigen, von Gitarren getriebenen Wanda-Songs herumspuken und ihnen so eine Atmosphäre zwischen jugendlichem Ungestüm und abgeklärter Resignation geben.

Eine Atmosphäre, der Marco Wanda den derzeitigen Hype um seine Band zuschreibt: "Ich glaube, unser Erfolg liegt nur an den Liedern. Daran, dass damit etwas ausgedrückt wird, das schon lange keiner mehr auf Deutsch ausgedrückt hat."

Morbidität

So geht es in den Wanda-Songs um unerfüllte Sehnsüchte, zerbrochene Träume, und – mit ironischer Distanz – auch um den Tod. Aber obwohl darin eine Morbidität liegt, die man oft in Wiener-Liedern findet, meint Wanda überzeugt: "Ich sehe überhaupt keine Wien-Bezüge. Wenn in Zürich 800 Leute diese Songs mitsingen, dann treffe ich damit sicher ein Lebensgefühl, das über Wien hinausreicht. Es geht ums Weitermachen, um das Umfallen und das wieder Aufstehen danach. Ich will damit vermitteln, dass ich es als gar nicht so einfach empfinde, in einer Zeit wie dieser Mitte oder Ende 20 zu sein. Aber geschlagen gebe ich mich in den Texten nie."

Insofern, sagt er, steckt schon viel von seiner Persönlichkeit in der Musik. Andererseits sind Figuren wie der wiederkehrende, lethargische Säufer Thomas reine "Projektionsflächen für die Psyche der Hörer". Denn: "Ich bin Schriftsteller und habe auch ein bisschen Fantasie. Ich habe aber keine Tante in Bologna und daher dort auch keine Cousine, mit der ich gerne schlafen würde."

Auch wenn Marco Wanda den Song "Jelinek" der österreichischen Literaturnobelpreis-Trägerin gewidmet hat, war es doch hauptsächlich Hemingway, der ihn als Songwriter beeinflusst hat.

"Von Elfriede Jelinek habe ich ein halbes Buch geschafft. Dann hatte ich Albträume und hab’s weggelegt. Aber Hemingway und Rimbaud waren meine Lieblingsschriftsteller. Von ihnen habe ich Tricks gelernt, nicht – wie ein schlechter Poet – mit zu vielen Adjektiven zu arbeiten. Aber vor allem, wie ich ohne Kitsch meine Gefühle vermitteln kann."

Es heißt, Wanda wurden vor etwas mehr als zwei Jahren gegründet, als Produzent Paul Gallister den ewig lesenden und Lieder schreibenden Studenten Marco in einem Café kennenlernte.

Puffmutter

Bestätigen mag Wanda das aber nicht: "Wir machen uns einen Sport daraus, über unsere Entstehung möglichst viele Unwahrheiten zu erzählen. Denn wir wollen keinen Kult um unsere Personen. Es gibt darüber auch nichts zu erzählen: Ich sitze im Kaffeehaus und gehe hin und wieder angeln. Wir haben keine besonderen Interessen und keine komplexen Biografien."

Seinen Nachnamen hält Wanda aber aus anderen Gründen geheim. Er nahm den Bandnamen (inspiriert von der Wiener Puffmutter Wanda Kuchwalek) als Künstlernamen an, weil "ich Angst hatte, dass die Teenies vor meiner Türe rumhängen".

Wieder lacht er ironisch. Aber weit scheinen Wanda von derart verfolgten Idolen gar nicht mehr entfernt zu sein. Gerade haben sie in Deutschland im Vorprogramm von Kraftklub vor 10.000 Fans gespielt – umjubelt wie der Haupt-Act.

Dass man im Nachbarland jetzt – auch mit Bilderbuch und Ja, Panik! – sehr gerne österreichische Pop-Musik hört, kann Marco Wanda gut verstehen: "Anders als in Deutschland gab es bei uns jahrelang keine Möglichkeit, erfolgreich zu sein. Dadurch hat sich eine ,Scheiß-drauf‘-Attitüde entwickelt, und es ging für unsere Bands ausschließlich um die Leidenschaft. Da wurde keiner von Erfolgsversprechen verdorben, keiner hat sich an den Mainstream angebiedert und wir konnten alle in Ruhe unsere eigene musikalische Stimme finden."

28. 3. Neumarkt/Volksheim
3. 4. Wels/Alter Schlachthof
9. 4. Salzburg/Rockhouse
11. 4. Dornbirn/Spielboden
17. 4. Wien/Gasometer
25. 4. Innsbruck/Weekender
27. 4. St. Pölten/Warehouse
15. 8. Wattens/Hauptschulhof

Kinder wissen ganz genau, wie man Eltern ärgert. Der Nachwuchs der spießigen Nachkriegsgeneration ließ sich lange Haare wachsen; deren Kinder wiederum trugen aus Trotz Schulterpolster und machten Karriere.

Die Kids von heute stricken, tragen Schnurrbärte und hören Austropop.

Das war einmal ebenso stark verpönt wie eine Lederhose in der Stadt zu tragen. Jahrelang gab es – teils durchaus herausragendes – heimisches Popschaffen, das mit der Austropop-Geschichte nicht viel zu tun haben wollte. Es musste anders klingen, Skifoan war des Unleiwandste. Jetzt aber raunzt es wieder aus dem Jugendradio heraus: Wanda (siehe oben) besingen mit hingerotzten Vokalen das Interesse an der eigenen Cousine, sie prägten damit den Soundtrack des letzten Halbjahres.

Es sind die neuen Töne eines heimischen Pops, der die alte Tradition weitertreibt. Sogar das deutsche Feuilleton erklärte der Band – ebenso wie der grandiosen Kombo Bilderbuch – die innige Liebe. Und wie so oft im Musikbusiness schaukelt sich derartiger Schwung zu einer neuen Welle auf, auf der u. a. Ernst Molden und der Nino aus Wien surfen: Der Geist der Austropop-Hadern schwappt einem in vielfältigem, nicht immer gut verträglichem neuen Gewande entgegen.

Wiederkehr

Dieses Interesse ist natürlich eine günstige Gelegenheit auch für die Veteranen des Genres, an das neue Publikum heranzutreten. So hört man zuletzt wieder mehr von den originalen Größen, insbesondere in Form von Rückschauen anlässlich der unausweichlich runden Geburtstage, die Fendrich, Ambros und Co dieser Jahre feiern.

Wie kantig man auch nach Jahrzehnten im Business sein kann, zeigte jüngst die Erste Allgemeinen Verunsicherung (EAV): "Lustig ist das Salafisten-Leben, Scharia-, Scharia-ho" singt die Band vergnügt auf ihrem neuen Album "Monsterball", "nimmst Du den Stein, dann wirf nicht daneben". Und dagegen sieht auch der Wanda’sche Cousinensexwunsch recht unkontroversiell aus.

Interessant ist, dass die EAV nicht damit, sondern mit ihrer Kritik am alkoholgeschwängerten Trend zum Bierzeltvolksfest für Aufregung sorgte.

Am Sonntag (22.3.) sind Klaus Eberhartinger, Thomas Spitzer und Band in der Wiener Stadthalle zu erleben. Das wird alles andere als nostalgisch.

Das Gefühl der Nostalgie konnte einen dieser Tage in Austropop-Angelegenheiten trotzdem umwehen. Unter dem Titel "Große Dinge – Erlebtes und Erzähltes" sind die Memoiren eines der ganz Großen des Genres erschienen: Georg Danzers (1946– 2007) Erinnerungen sind wieder aufgelegt worden. Eine willkommene Gelegenheit, um nachzulesen, wie es damals war, als der Austropop erstmals groß wurde.

*Update: Das für Sonntag anberaumte Konzert der EAV musste aus Krankheitsgründen kurzfristig abgesagt werden.

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