Waldeck hat Sehnsucht nach der Freiheit der Straße

Waldeck hat Sehnsucht nach der Freiheit der Straße
Der Wiener Musiker spricht über die „versteckte“ Politik in seinem Freitag erscheinenden Album „Grand Casino Hotel“

Flugreisen sind für Klaus Waldeck eine Notlösung. Er mag sie nicht. Sie sind ihm zu mühsam. Deshalb war der Wiener Musiker, der 2007 mit dem für Electro-Swing wegweisenden Album „Ballroom Stories“ weltweit bekannt wurde, auch nicht auf Rundreise in Amerika.

Mit dem neuen Album „Grand Casino Hotel“ hat er sich aus anderen Gründen dem Sound von amerikanischen Roadmovies verschrieben: „Ich habe oft Bilder im Kopf, wenn ich Musik mache“, erzählt er im Interview mit dem KURIER. „Bei dem Song ,So Strong’ hatte ich die Sängerin vor Augen, wie sie auf einem Pferd durch die Prärie reitet. Und weil ich von alten Theaterproduktionen Stücke übrig hatte, die dazu passten, dachte ich, ich schreibe ein ganzes Roadmovie-Album.“

Waldeck hat Sehnsucht nach der Freiheit der Straße

Waldeck, der als Elektronikmusiker begann, vor acht Jahren Klavier lernte und jetzt viel mit analogen Instrumenten arbeitet, mischt dabei Twang-Gitarren mit treibenden Bass-Figuren und dem Flair der Beat Generation. In den Texten geht es um Sehnsucht, das Autokino oder erotische Rollenspiele im Trailerpark.

Dass Waldeck dabei im Sound und mit der Ästhetik der Covergestaltung „versteckt politisch“ ist, wurde ihm erst später bewusst: „Beim letzten Album hatte ich schon ein bisschen thematisiert, wie Amerika von Trump demontiert wird“, sagt er. „,Grand Casino Hotel’ transportiert die Sehnsucht nach Freiheit, nach etwas Archaischem, und gleichzeitig den Verfall und ein versunkenes Amerika. Damit ist es ein Gegenpol zu dem, was wir erleben. Wenn man ein bisschen länger zurückschaut, bekommt man nämlich ein Gefühl dafür, wie stark sich die Politik in den letzten zehn Jahren geändert hat. Der Neoliberalismus ist ohnehin mit der Finanzkrise von 2008 grandios gescheitert. Es hat sich dann aber etwas anderes, auch sehr Ungemütliches herausgebildet: Die Bürger werden durch den ständigen Gebrauch von sozialen Medien gegängelt. Und die Gesetzgebung wird auch immer engmaschiger. Alles wird bis in kleinste Detail geregelt und vorgeschrieben. Ich würde so gerne einmal von einem Politiker hören, dass er sagt, dieses Gesetz brauchen wir nicht mehr. Aber das passiert nie!“

Waldeck hat Sehnsucht nach der Freiheit der Straße

Mit den Verordnungen der heimischen Regierung in der Corona-Krise hat Waldeck kein großes Problem. „So etwas ist eine schwierige Gratwanderung. Als Politiker musst du das im Nachhinein verantworten können. Und wer weiß schon, wie die Konsequenzen und die Todesrate gewesen wären, wenn es keinen Lockdown gegeben hätte. Es wurde danach heftig kritisiert, dass die Regierung die Angst geschürt hat. Ich sehe das nicht so dramatisch. Denn wie sollst du Leute in so einer schwierigen Situation zu einem bestimmten Verhalten bewegen, wenn du nicht die Angst schürst?“

Unter Druck

Waldeck musste wegen der Corona-Krise ein paar Auftritte in Österreich und welche in Rumänien, der Türkei und Ungarn absagen. Das war für ihn aber nicht existenzbedrohend, weil er auch ein Einkommen aus Lizenzierungen seiner Songs für TV-Serien wie „Grey’s Anatomie“ hat.

„Existenzbedrohend für mich wäre, wenn mir der Lizenzauftrag einer großen Kosmetikfirma, der seit acht Jahren läuft, nicht weiter verlängert werden würde. Wenn die sagen, Luxusartikel sind durch die Krise so unter Druck, dass wir das nicht mehr zahlen, fällt mir mit einem Schlag eine sechsstellige Summe im Jahr weg.“

Weil er weiß, wie unterschiedlich und komplex die Einnahmemodelle von Musikern und Kreativen sind, übt er auch keine harsche Kritik an den Förderungen der Regierung. „Die ersten schnellen Verordnungen diesbezüglich waren wichtig und wurden ohnehin immer wieder angepasst. Was ich mir jetzt wünschen würde, wäre, dass Musiker und Veranstalter mehr Planungssicherheit bekommen. Ich habe vor acht Monaten einen Auftritt im Porgy & Bess für November gebucht, weiß aber immer noch nicht, unter welchen Bedingungen der stattfinden kann. Nachdem ich mit neun Musikern auftrete, zahlt sich das nur aus, wenn ich dort mit 450 Leuten voll bin, nicht aber wenn wegen Abstandsregeln nur 200 zugelassen sind. Andererseits sehe ich auch eine andere Seite: Nämlich, dass der Frust in unserer Branche noch viel größer wäre, wenn die Regierung bei unseren Veranstaltungen etwas gestatten würde, was sich dann als zu viel entpuppt und wieder zurückgenommen werden muss.“

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