Von Bowie bis Michael: Ein hartes Jahr für Musikfreunde

David Bowie, 1987
2016 war für Musikenthusiasten ein hartes Jahr.

David Bowie, Prince, Leonard Cohen und zuletzt George Michael - sie waren nur die Speerspitze renommierter Musiker, die im ablaufenden Jahr verstorben sind. 2016 wird wohl als jenes Jahr in die Geschichtsbücher eingehen, in dem man sich von einigen der größten Popkünstler verabschieden musste. Und langsam könnte den geneigten Fan das Gefühl beschleichen, dass die Zeit der Superstars vorüber ist.

Das Jahr begann mit einem Knalleffekt - und zwar im doppelten Sinn. David Bowie veröffentlichte just an seinem 69. Geburtstag mit "Blackstar" eines seiner stärksten Alben, das von Kritikern wie Fans bejubelt wurde. Doch nur zwei Tage später, am 10. Jänner, verstarb der britische Popsuperstar völlig unerwartet. Der Krebstod des "Thin White Duke" löste weltweite Bestürzung aus. Das zuvor veröffentlichte Video zum Song "Lazarus", in dem sich Bowie in düsteren Bildern mit einer Augenbinde in einem Krankenbett liegend inszenierte, erhielt dadurch einen völligen neuen, sehr beklemmenden Dreh.

Prince und Cohen

Und doch war Bowies Ableben (das zudem nur wenige Tage nach dem Tod von Motörhead-Frontmann und Rocklegende Lemmy Kilmister folgte) keineswegs der einzige große Schlag, den Musikfans 2016 über sich ergehen lassen mussten: Der exzentrische US-Musiker Prince, der im Schnittfeld von Pop, Rock und Funk seit "Purple Rain" Maßstäbe gesetzt hat, sowie die kanadische Songwriter-Institution Leonard Cohen segneten ebenfalls das Zeitliche. Bei Cohen lag der Fall ähnlich wie bei Bowie, hatte der Sänger mit der markant tiefen Stimme doch mit "You Want It Darker" ein großes Alterswerk geschaffen, das aufgrund der düsteren Grundstimmung im Nachhinein wie eine Vorahnung wirkt.

Und schließlich endete das Jahr mit einem ähnlichen Paukenschlag wie es begonnen hatte: Letztlich völlig überraschend verstarb George Michael erst 53-jährig einen Tag nach dem Heiligen Abend. "Last Christmas", die unverwüstliche Weihnachtshymne, die er als Sänger des Duos Wham! geprägt hatte, zählt zu seinen bekanntesten Hits. Allerdings feierte der Brite auch als Solosänger mit Nummern wie "Freedom" oder "Faith" in den 1990ern Welterfolge und arbeitet zuletzt mit dem Produzenten Naughty Boy an einem neuen Album.

Was sie hinterlassen

So despektierlich es auch klingen mag - für die Musikindustrie waren und sind besonders diese "großen" Toten auch ein gutes Geschäft. Zwar hat sich der weltweite Markt in den vergangenen Jahren grundsätzlich wieder einigermaßen stabilisiert, aber für den physischen Verkaufsbereich - von CD über DVD bis Vinyl - waren und sind gerade klingende Namen immer gut und absatzfördernd. Dass man auf die gesteigerte Aufmerksamkeit gerne aufspringt, belegen auch schnell zusammengestellte Compilations und Wiederveröffentlichungen oder - zeitlich etwas aufwendiger in der Vorbereitung - reichhaltig ausgestattete Boxsets. Gerade bei Bowie wurde diesbezüglich nicht gekleckert in den vergangenen Monaten, und auch das Oeuvre von George Michael dürfte nun in den kommenden Monaten bis in die kleinsten Restbestände ausgelotet werden.

In nächster Zeit ist in punkto Verwertung (meistens: noch nicht veröffentlichte Versionen und Demoaufnahmen bekannter Songs; eher selten: wirklich neues und auch gehaltvolles Material) wohl nicht so schnell mit einem Ende zu rechnen. In diese Kerbe lässt sich auch dank des in den vergangenen Jahren weiter angezogenen Vinyl-Comebacks nach Lust und Laune schlagen, wie etwa Led-Zeppelin-Gitarrist Jimmy Page mit der von ihm überwachten Wiederveröffentlichung aller Platten der wegweisenden Rockband unter Beweis stellte. Und das Oeuvre der Pop- und Rockgeschichte des 20. Jahrhunderts bietet da klarerweise noch etliche Schmankerl, die man sehr lukrativ unter alte wie neue Fans bringen könnte.

Die Übrigen

Schaut man sich prägende und vor allem quer durch die Generationen erfolgreiche Künstler in der Popmusik an, fallen schnell Namen wie Rolling Stones, Bob Dylan, Elton John oder Paul McCartney. Natürlich gibt es etliche jüngere Protagonisten, die weltweit die Stadien füllen - in punkto Strahlkraft und Konsistenz in ihren Leistungen können aber nur wenige Acts mit den großen Namen vergangener Dekaden mithalten. Pilgert etwa die australische Hardrocklegende AC/DC um die Welt, kann sie sich stets auf Zehntausende Fans freuen. Dabei scheint es sogar egal, dass Frontman Brian Johnson jüngst aufgrund gesundheitlicher Probleme das Mikrofon Axl Rose von Guns N' Roses in die Hand geben musste (im Übrigen eine weitere Band, die aktuell alte Zeiten hochleben lässt).

Und sie werden nicht jünger: Ein Blick auf das Alter von großen Helden wie Barbra Streisand (74), Mick Jagger (73) oder Brian May (69) kann schon nachdenklich machen, auch wenn viele Künstler noch bei bester Gesundheit sind und ihren kreativen Output weiter vergrößern. Ein Beispiel dafür wäre Neil Young, der sich mit 71 Jahren immer noch jugendlich-wütend geben kann und mit Verve gegen Missstände ansingt. Oder man denke an Bob Dylan, der heuer mit den Literaturnobelpreis geadelt wurde - selbst wenn er sich lange für eine Reaktion auf diese Auszeichnung Zeit ließ und die Verleihung im Dezember einfach schwänzte. Doch sind es nicht Ecken und Kanten wie diese, die einen Gutteil des Charmes dieser Größen ausmachen?

Superstars von morgen

Abseits der bisher bereits Genannten, gibt es natürlich noch einige Künstler, die als "Superstar" tituliert werden können. Allerdings fällt ins Auge, dass die vereinende Kraft des Konzertgenusses gerade zwischen den USA und Europa zu einer kleinen Spaltung führt. Während nämlich Hip-Hop- und R'n'B-Künstler wie Kanye West, Kendrick Lamar, Frank Ocean oder Beyonce in den Vereinigten Staaten die Massen zu begeistern wissen und auch mit politisch-motivierten Aktionen in Erscheinung treten (Stichwort: Black Lives Matter), bleibt Europa für sie im Livegeschäft bestenfalls ein Randgebiet.

Nun sind zumindest die Trends und Hypes dies- wie jenseits des Atlantiks ständig abzufragen und dank digitaler Musikverwertung auch nachzuvollziehen - ob neue Namen das allerdings in eine Strahlkraft ähnlich jener von Acts wie Bowie oder auch Madonna umzusetzen wissen, ist nicht wirklich abzusehen. Möglicherweise hängt das aber mit der Ausformung des Musikmarktes selbst zusammen, der sich nicht zuletzt dank etlicher neuer Streamingangebote (und dort teils exklusiv veröffentlichter Alben und Songs) weiter im Wandel befindet. So obliegt es in vielen Wohnzimmern ja bereits den Algorithmen von Spotify und Co, was als nächstes aus den Lautsprechern dröhnt, und weniger einer persönlichen Auswahl.

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