Von Künstlern, Maschinen und Narren

Pavillon bei der Expo 1970, Osaka, Japan: Blick in den Innenraum der Kuppel
Die Schau „E.A.T. – Experiments in Art and Technology“ führt zu den Anfängen der Beziehung zwischen Kunst und Technik.

Es muss ordentlich gescheppert, gestunken und geraucht haben am 17. März 1960: Der Schweizer Jean Tinguely hatte an jenem Tag im Garten des New Yorker Museum of Modern Art eine Skulptur aus Rädern, Ventilatoren, Staubsaugern und allerlei anderen Gerätschaften aufgebaut, die sich im Laufe einer Vorstellung nach und nach selbst zerstören sollte. Nach einer knappen halben Stunde wurde die Performance wegen Explosionsgefahr abgebrochen.

„Ein Fiasko“, schrieb die New York Times, die das Event dennoch würdigte: „Mr. Tinguely hält Maschinen zum Narren, während der Rest der Menschheit gleichgültig zulässt, von Maschinen zum Narren gehalten zu werden.“

An diesem Punkt schauen wir kurz von unseren Smartphone-Schirmen auf und erkennen die Aktualität der Ausstellung „E.A.T. – Experiments in Art and Technology“, die das Salzburger Museum der Moderne (MdM) bis zum 1. November am Mönchsberg zeigt.

Die Schau führt zurück in die Pionierzeit der Zusammenarbeit von Künstlern und Ingenieuren, die heute unter den Vorzeichen von Digitalisierung und nachhaltiger Entwicklung wieder verstärkte Aufmerksamkeit erfährt. Die dabei bemühte Rhetorik und die darin beschworenen Zukunftshoffnungen, so wird in der Salzburger Präsentation deutlich, haben sich in 50 Jahren nicht allzu sehr verändert.

Technik-Hotline

Das technische „Gehirn“ hinter Tinguelys Apparatur, ein Ingenieur namens Billy Klüver, sollte sich nach der Episode im MoMA bald zur Schlüsselfigur eines fruchtbaren Zusammenschlusses von Künstlern und Technikern entwickeln. Unter dem Namen „E.A.T. – Experiments in Art and Technology“ bildete die Gruppe, zu der auch der Künstler Robert Rauschenberg gehörte, bald eine formelle Vereinsstruktur, gab eine Zeitschrift heraus und fungierte als eine Art Technik-Hotline für Künstler, die für ihre Arbeiten neuartige Gerätschaften und Materialien brauchten.

Die Schau erzählt all dies mit einer ansprechenden Mischung aus Dokumenten, Relikten und bis heute erhaltenen Kunstwerken. „Silver Clouds“ – Luftpolster, die Andy Warhol aus dem damals neuen „Skotchpak“-Material von 3M anfertigen ließ, schwirren im Museum umher; die Performance-Schau „9 Evenings“, die 1966 einen ersten Höhepunkt der Initiative bildete, wird durch Filmaufnahmen des 2013 in Wien verstorbenen Alfons Schilling lebendig.

Kunst & Industrie

„Das Feedback aus der Interaktion zwischen Künstlern und Ingenieuren gegenüber der Industrie ist sehr wichtig“, schrieb Mastermind Klüver in einem Einführungstext zu den „9 Evenings“, der in der Schau ausgestellt ist. Die Legitimation freier Experimente gegenüber „handfesten“ Wirtschaftsinteressen bleibt bis heute ein schwieriger Balanceakt – im Fall von „E.A.T.“ war es der „Pepsi Pavillon“ auf der Weltausstellung Osaka 1970, bei dem die Unterstützung des geldgebenden Konzerns an Grenzen stieß.

Das Gebilde, in dessen Zentrum eine riesige verspiegelte Kuppel stand, wurde kurzerhand der Kontrolle der Künstler entzogen und mit einem Disney-Soundtrack bespielt. Zahlreiche weitere von der Gruppe geplante „Projekte außerhalb der Kunst“ – darunter eine Reihe künstlicher Dachgärten, die ebenso gut aus der heutigen Zeit stammen könnten – wurden nicht realisiert.

Aus einem Altbau in der Wiener Innenstadt kann man neuerdings in bislang wenig erforschte Bildwelten reisen: Die Abteilung für Digitale Kunst der Universität für Angewandte Kunst in Wien verfügt seit Februar über einen eigenen sogenannten „Fulldome“, in dem neue Möglichkeiten für innovative, umfassende Projektionen erprobt werden.

Das Prinzip des „Fulldome“ ist aus Planetarien bekannt – auf einer Kuppel werden bewegte Bilder gezeigt, deren Umfang jenen des Gesichtsfelds überschreitet, wodurch sich das Gefühl ergibt, ins Bild „einzutauchen“. Anders als die meisten Planetarien bietet der „Fulldome“ der Angewandten bei Bedarf mehr als eine Halbkugel, nämlich eine 210-Grad-Kuppel, als Projektionsfläche.

Neuartige Projektionen nehmen dazu Abschied vom visuellen „Frontalunterricht“ und versuchen, Betrachtern, die sich im Raum bewegen, rundum ein visuelles Erlebnis zu bieten. Dafür gelte es, Formen zu finden, sagt Abteilungsvorstand Ruth Schnell, die mit ihrem Team für den „Dome“ etwa eine rasante Fahrt entlang des US-mexikanischen Grenzzauns, gespeist aus „Google Street View“-Bildern, realisierte.

Für den Rektor der Angewandten, Gerald Bast, sind die Möglichkeiten von Fulldome-Projektionen nahezu unbegrenzt; er denkt u. a. an Dokumentarfilme, die an Krisenherden in einem kuppeltauglichen Format gedreht werden und dazu dienen könnten, „Politikern die Realität näherzubringen.“ Auch zur Visualisierung von wissenschaftlichen Aufnahmen – von mikroskopischen Aufnahmen bis zur Gastroskopie – kann der „Fulldome“ eingesetzt werden. Auch die Entertainment-Industrie interessiert sich für die Kuppelwelten, im Uni-Bereich geht es jedoch explizit um künstlerische Erkundungen.

Nach einem EU-geförderten Projekt, das Ende September mit einer Publikation abgeschlossen wird, soll der „Fulldome“ verstärkt in die Lehr- und Forschungstätigkeit der Angewandten eingebunden werden, sagt Projektleiter Martin Kusch. Die Uni ließ sich das Labor 85.000 Euro kosten – die Technik für Projektionen, so Kusch, werde jedoch gewiss bald relativ erschwinglich sein.

Kommentare