Der Broadway, das weltweit bekannte Theaterviertel in New York im Stadtteil Manhattan, liegt an den umliegenden Straßen vom Times Square, wo traditionell Tausende Menschen Silvester feiern. Früher hieß es „New York schläft nicht“– jetzt, nach der Covid-Pandemie, wird mehr geschlafen, Geschäfte und Clubs machen früher zu.
Bei uns in Österreich ist es fast unmöglich, nach einem Theaterbesuch essen zu gehen, da die Küchen spätestens um 23.00 Uhr schließen. In New York ist um diese Zeit normalerweise Vollbetrieb in den Restaurants. Fast überall wird aber eine Reservierung benötigt, oder man muss sich anstellen, bis ein Tisch frei wird. Das kann dauern.
Man kann ja inzwischen auf der Straße eine Zigarette rauchen, obwohl immer das Gegenteil kolportiert wird. Allerdings werden Raucher heutzutage umgehend um eine Zigarette angeschnorrt, da diese pro Stück fast einen Dollar kosten.
Den berühmte „nackten Cowboy“, einen Exhibitionisten, der seine Neigung zum Beruf gemacht hat, gibt es noch. Seine Bekleidung besteht aus einem knappen goldenen Höschen, einem Hut und Stiefeln. Pro forma spielt er Gitarre. Natürlich ist er mit den Jahren gealtert, aber körperlich noch immer fit.
Auch am Broadway, dem Mekka des Musicals, gingen bedingt durch Covid im März 2020 die Lichter aus. Einzigartig in der Theatergeschichte. Tausende Künstler, Techniker, Künstleragenturen, Fachpersonal und Platzanweiser verloren ihren Arbeitsplatz und waren gezwungen, die Branche zu wechseln. Ab September 2021 hieß es dann „The Show Must Go On“. Die Beleuchtung der großflächigen Plakate am Times Square wurde wieder aktiviert.
Wer noch fehlte, waren die Zuschauer, die nur zaghaft gewillt waren, wieder Shows zu besuchen.
Für New York ist der Broadway ein bedeutender Wirtschaftszweig: 2019 wurden 13,8 Millionen Besucher gezählt, mit einem Kartenumsatz von 1,7 Milliarden Dollar. Seit Sommer 2022 laufen die Produktionen, die keinerlei Subventionen erhalten und auf rein privatwirtschaftlicher Basis arbeiten, wieder im Normalbetrieb, obwohl Besucher aus Europa und Asien in New York noch nicht wie früher in den „Big Apple“ strömen. Die Auslastung liegt so bei geschätzt 85 Prozent.
Allerdings sind die Eintrittspreise gestiegen. Zwischen 170 und 250 US-Dollar muss man für einen halbwegs anständigen Platz bezahlen. Premium-Tickets sind für mehrere Tausend Dollar zu haben, pro Sitz versteht sich.
Mega-Erfolg: Hamilton
Spricht man vom Broadway, sind alle Augen auf das mit 11 Tony Awards und einem Pulitzer-Preis prämierte Musical „Hamilton“ gerichtet, das fünf Jahre lang ausverkauft war. Es war in dieser Zeit de facto unmöglich, Tickets für diese Show zu bekommen. Sogar ein Ticket zum Mond wäre leichter zu haben gewesen, selbst die US-Regierung konnte keine Tickets für ihre Staatsbesucher erwerben.
Die einstige First Lady Michelle Obama nannte das Musical „das beste Kunstwerk, das ich jemals gesehen habe.“ Angehörige der Pop-Elite wie Beyoncé schwärmen ebenfalls von diesem Werk. Was macht „Hamilton“ so außergewöhnlich ?
Zunächst ist es das erste Musical, das im Rap, R&B und Hip-Hop von Lin-Manuel Miranda komponiert wurde und amerikanische Politik zum Inhalt macht. Der Protagonist ist der amerikanische Gründervater und spätere Finanzminister Alexander Hamilton, der in der Karibik als Waisenkind aufwuchs und später nach New York emigrierte, um sich in späterer Folge als Politiker zu engagieren.
Damals wie heute ein sympathischer Held, klug, intelligent, redegewandt, aufmüpfig und frech. So gesehen eine Bezugsperson auch für Jugendliche der heutigen Generation. Die Qualität der Musik ist außergewöhnlich gut. Belobigt von Stephen Sondheim, überragt der 48-jährige Miranda die zeitgenössischen Showkomponisten, die allerdings gemessen an frühere Dekaden eher mittelmäßig sind.
In einem asketischen Einheitsraum mit einer Hundertschaft von Scheinwerfern wird im Richard Rogers Theatre die Handlung erzählt. Gesprochen und gesungen wird in heutiger Sprache, gespielt wird von „people of color“ in historischen Kostümen, was nicht unkomisch wirkt.
Derzeit spielt der hervorragende Alexander Ferguson die Rolle des Hamilton. Der schottische Schauspieler Euan Morton, der einzige weiße Schauspieler im Ensemble, gibt den neurotischen King George III mit starker Stimme, Grimassen schneidend und fluchend. Höfische Etikette ist ihm fremd. Ein Kinderlied hat es ihm besonders angetan, er singt es bei jedem Auftritt oder Abgang. Der Besuch von „Hamilton“ lohnt sich schon dieser einen Figur wegen.
Die Choreographie ist zackig, kantig und primär textbezogen somit nicht im gängigen Musicalstil. Es ist ein Musical, der neuen, anderen Art und sicher eine Revolution des Genres. In deutscher Fassung ist „Hamilton“ derzeit in Hamburg zu sehen.
Gruselspaß: Beetlejuice
Im Marquis Theatre ist eine Halloween-Geister-Komödie nach dem gleichnamigen Tim-Burton-Film (1988) mit Michael Keaton und Alec Baldwin zu sehen. Wenn Sie den Film amüsant fanden, dann sind sie hier genau richtig: Ein bisschen „Little Shop of Horrors“ und zum darüber streuen „A Nightmare Before Christmas“. Also sicher nicht jedermanns Sache.
Auf der Bühne sieht man Figuren aus einer Grotten- und Geisterbahn, geeignet für die ganze Familie, garniert mit den üblichen trashigen, billigen Zaubertricks, aber so ist es gewollt.
Die Musik ist unwesentlich, sie ist einfach da und rasch wieder vergessen. Aber was solls, es ist eine flotte Geisterkomödie des australischen Komponisten und Schauspielers Eddie Perfect, der bisher zu Recht kaum auffiel, aber für gute Laune sorgt.
Sein Libretto ist auch nicht beachtenswert. Schon eher Aufmerksamkeit verdient das Buch von Scott Brown, der sich auch als Kritiker beim Branchenblatt „Entertainment Daily“ betätigt.
Alex Brightman in der liebenswerten Figur des Beetlejuice, mit grüner Frisur und Sträflingskleidung, wäre perfekt als Gast für einen Kindergeburtstag, abgesehen vielleicht von seinem Gag „Ich bin ein Geist und unsichtbar. Genauso wie schwule Republikaner“.
Erotisch: Moulin Rouge!
Erfolgreiche Musikfilme wie der gleichnamige Streifen von Baz Luhrmann (2001) mit Nicole Kidman und Ewan McGregor in den Hauptrollen finden immer ihren Weg auf den Broadway. Die Frage ist, ob sie auch so spektakulär auf der Bühne inszenierbar sind. Jedenfalls sind sie es auf andere Weise. Denn Sinnlichkeit und Erotik waren nicht Luhrmanns Stärke, seine Version punktete eher mit rasanten Schnitten und opulenter Ausstattung.
Im Al Hirschfeld Theatre nimmt man sich dafür Zeit. Der Zuschauerraum ist zum Moulin Rouge umgewandelt worden. Gleich links neben der Bühne befindet sich eine große, sich drehende Mühle, die vom Parterre bis in den Rang reicht.
Die Platzanweiser haben die Anordnung, jede Besucherin und jeden Besucher persönlich darauf hinzuweisen, dass das Fotografieren und Filmen ab dem Moment, wo sich auf der Bühne etwas bewegt, streng verboten ist. Ein guter Gag, um die Erwartungshaltung zu erhöhen.
Und schon zehn Minuten vor der Vorstellung flaniert das Ensemble der Bohème lasziv auf der Vorderbühne, räkelt sich um Stangen und Scheinwerfer. Mit engen, sehr engen Kostümen, auch fast nackt. Das Motto des Moulin Rouge-Direktors Harald Zidler lautet: „Egal wie sündhaft eure Lust, egal wie lustvoll eure Sünde, hier seid ihr willkommen.“
Die Regie von Alex Timbers macht die Zuschauer dann zu zahlenden Voyeuren einer untergegangenen Epoche. Es ist ein Jukebox-Musical par excellence. Ab November ist es in deutscher Fassung in Köln zu sehen.
Fortsetzung am 30. 10.
Vor Ort gibt es immer wieder gute Gelegenheiten, an Restkarten für Musicals zu kommen – wer kein Risiko eingehen und vorab buchen will, sollte sich an die
offiziellen Vertriebskanäle halten. Eine zentrale Anlaufstelle ist broadway.com, viele Produktionen haben eigene Websites, etwa hamiltonmusical.com und beetlejuicebroadway.com
Anders als in Österreich bemisst sich die Ticketkategorie in den Broadway-Shows nicht nur nach der Nähe zur Bühne – die Plätze in der Mitte sind meist die teuersten.
Wer in der Voransicht Plätze weiter vorne an der Seite wählt, kann beim Ticketkauf günstiger aussteigen.
Broadway-Theater haben an Montagen spielfrei. Mittwochs und samstags sind Doppelvorstellungen am Nachmittag und am Abend angesetzt.
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