Anders ist nicht genug
Man kann – nein, man muss – sich fragen: Warum nur spielt Michael Schottenberg im Volkstheater ausgerechnet „Im Weißen Rössl“? Vor allem: Warum muss man Ralph Benatzkys Operette in die 50er-Jahre verlegen?
Die Kultschnulze hatte zuletzt in der lockeren, leichten, selbstironischen, sehr sehr bunten Regie von Josef Köpplinger im Staatstheater am Gärtnerplatz in München Charme und Witz.
An diesen Qualitäten mangelt’s in Wien – und an noch mehr. Denn wer eine Parodie parodieren, also partout doppelt moppeln will, braucht schon ein paar sehr gute Ideen. Und die fehlen der Inszenierung Schottenbergs, der die Farce voller süßer Liebesgeschichten aufs Schäbige reduziert.
Der Wunsch, alles ganz anders als alle anderen machen zu wollen, wie’s bei der trashigen „Fledermaus“ mit Andreas Vitásek 2008 noch irgendwie funktioniert hat, ist legitim. Aber im Fall der „Rössl“-Revue führt sie dramaturgisch und überhaupt ins Nirgendwo.
Verballhornung
Agiert wird in einer grindigen Pension, der Heizdeckenverkäufer im Nebenerwerb zu ebener Erd’ und – kopulierend – im ersten Stock (Bühne: Hans Kudlich). Die Kapelle spielt im Hintergrund unter einem Hirschgeweih an der Wand die von Patrick Lammer ein bissl sehr ins Schräge arrangierte und zum Teil ins pipifein Kakofonische verzerrte Musik.
Dem Abend fehlt völlig jene leicht süßliche Melancholie, durch die eine Operette erst genießbar wird, und die Schottenberg offenbar zutiefst suspekt ist.
Was leichtfüßig klingen sollte, will nicht abheben. Schlager wie „Was kann der Sigismund dafür, dass er so schön ist“, Evergreens wie „Es muss was Wunderbares sein, von dir geliebt zu werden“ wären an sich Selbstläufer. Aber hier ist keineswegs jeder Ton ein Treffer. Mit Ausnahme von Maria Bill als der resoluten, in die Jahre gekommenen „Rössl“-Wirtin Josepha Vogelhuber und Patrick Lammer als Rechtsanwalt Siedler sind fast alle Darsteller gesanglich mehr oder weniger überfordert.
Impressionen des Stückes
Fast spaßfreie Zone
Günter Franzmeier als liebeskranker Kellner Leopold wird in seiner existenziellen Trostlosigkeit vorgeführt, als wär’s ein Stück von Horváth. „Piccolo“ Christoph F. Krutzler wirkt wie ein der Welt von Palfrader und Braunschlag entsprungener Schmähführer.
Erwin Ebenbauer berlinert leidlich als Wilhelm Giesecke, Thomas Kamper als Prof. Hinzelmann lässt das Sächseln und sammelt trotzdem Sympathiepunkte. Wie Matthias Mamedof als der „schöne Sigismund“.
Haymon Maria Buttinger als Feuerwehrkommandant wird mit Backenbart aus Rasierschaum den Touristen als „Emperor Franz“ präsentiert. Aber nur anders ist nicht genug. Verständlich der beachtliche Publikumsschwund in der Pause.
Wie gesagt: Warum nur führt Schottenberg Operette auf mit Schauspielern, die weder über die fürs Genre nötige Leichtigkeit der Darstellung noch über die stimmlichen Voraussetzungen verfügen? Robert Meyer spielt in der Volksoper auch nicht Shakespeare. Und das ist gut so.
KURIER-Wertung: ** von *****
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