"Verrücktes Blut" bricht mit Vorurteilen

"Verrücktes Blut" bricht mit Vorurteilen
Das Wiener Theater Garage X zeigt Nurkan Erpulats Stück "Verrücktes Blut". Es ist wie ein PISA-Test mit vorgehaltener Pistole.

Die Angst um die abendländische Zivilisation kann einen schon packen. Diese Angst, die seltsame Blüten treibt. Da sitzen xy Prozent Ausländerkinder – alles Muslime, eh klar – in jeder Schulklasse, scheren sich einen Dreck um unsere Nationaldichter, schimpfen die Lehrerin im knappen Kostüm eine Nutte und nehmen auch noch eine Knarre mit.

Kein Wunder also, dass die Pädagogin am Rande des Nervenzusammenbruchs sich der Waffe bemächtigt, um die unwilligen Schüler zu zwingen, endlich Schillers "Räuber" zu lesen. PISA mit vorgehaltener Pistole.

Ein Stoff, aus dem Erfolge sind. Erst als im Pariser Banlieue angesiedelter Kinofilm mit Isabelle Adjani, dann als Theaterstück "Verrücktes Blut" von Nurkan Erpulat und Jens Hillje. Erst aufgeführt im Berliner Ballhaus Naunynstraße, Haus der designierten Wiener-Festwochen-Cointendantin Shermin Langhoff, nun in der Wiener Garage X neu inszeniert von Volker Schmidt.

Regisseur Schmidt tut dem vor politischer Korrektheit triefenden Drama gut. Lustvoll dekonstruiert er vermeintlich klare Identitäten (die in Ghana geborene Nancy Mensah-Offei etwa tritt aus der Rolle und erklärt in breitem Oberösterreichisch, dass sie nicht den "Problemschoko" spielen will). Er lässt seine "Türkenmachos" Oktay Günes und Mustafa Kara Heimatlieder singen ("Fein sein, beinander bleiben") – und knickt so Erpulats erhobenen Zeigefinger. Ein glatter Bruch. Von Vorurteilen.

KURIER-Wertung: **** von *****

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