Verkopft bis ambitioniert

Verkopft bis ambitioniert
"Occupy Art" oder "Art is Concrete"? (Nicht-)Ausstellungen in Graz loten das Verhältnis von Kunst und Politik aus.

Unfertiges, Unausgegorenes, Work in Progress hat Saison in Graz beim Steirischen Herbst. Zumindest "Adaptation", von den Pragern Vít Havránek und Zbyněk Bala­drán organisiert, macht diesen Eindruck. Ihr Programm? Keine Ausstellung, sondern "ein Labor für neue Paradigmen, Strukturen, Hierarchien, Kollaborationsformen".

Das verbale Aufplustern der Theoretiker nervt mitunter. Und was mehr als Bastelwerkstatt und Zettelwirtschaft anmutet, hat ungefähr so viel Sex-Appeal wie eine tote Oktoberfliege. Dabei ist die Frage spannend: Welche kreativen Strategien müssen erfunden werden, um die gesellschaftliche und politische Situation zu verändern?

Künstler setzen sich mit dem Verhältnis zwischen Kunst und Politik auseinander. Gefragt ist Realität verändernde Aktion statt künstlerische Fiktion. Babi Badalov aus Aserbaidschan, der als politischer Flüchtling zum Nomaden wurde, hat die Wände eines Raumes mit Wortspielen und Kollagen ausstaffiert. Ruti Sela aus Israel beleuchtet in Video-Clips die Rolle von Terror und Armee. "Stammer" des Ägypters Shady El Noshokaty zeigt eine Schulklasse, in der die Frauen Kopftücher tragen und ein Mann über Ratten redet.

"Versuch, das Leben zu integrieren"

Ebenfalls keine Ausstellung, sondern "der Versuch, das Leben zu integrieren", sei "Cittadellarte. Teilen und verändern" (bis 20. 1.) im Kunsthaus, sagt die Kuratorin Katrin Bucher Trantow. Man habe überlegt, "was kollektives Handeln in der Gesellschaft darstellen könnte".

Vorbild war Michelangelo Pistolettos "Cittadellarte"-Projekt von 1998 in Biella bei Turin: In dieser "Kunststadt" gibt es Nachhaltigkeit, schonenden Umgang mit Ressourcen und soziale Gerechtkeit. Künstler greifen aktiv in die Stadt ein und versuchen, mit der Bevölkerung und Partnern zu kooperieren: das steirische Straßenmagazin Megaphon mit dem afrikanischen Journal Chimurenga (zu Deutsch: "Kampf um Freiheit"). Und der "Verein zur Rettung weggeworfener Fahrräder" sowie die Grazer Fahrradwerkstatt "Rebikel" entwerfen ein Lastenrad für Interessenten aus Kolumbien.

Unter dem Motto "Art Is Concrete" zeigen in der Camera Austria bis Februar 2013 sieben Künstler in einem leeren weißen Raum fotografische Arbeiten. Anna Jermolaewas Film "Nostalgia", der dem kubanischen Schwarz-Weiß-Streifen "Soy Kuba" aus dem Jahr 1964 nachempfunden ist, wirft einen möglicherweise letzten Blick auf den Sozialismus im heutigen Kuba.

Wobei Jean-Luc Godards Credo gilt: "Kunst ist nicht die Reflexion der Realität, sondern die Realität der Reflexion."

Um die vielfältige Sicht auf die Wirklichkeit geht es bei "Realness Respect" im Kunstverein Medienturm: Um "aktuelle performative Entwürfe, die auf die spürbare Differenz zwischen sub jektiv wahrgenommener und medial vermittelter, gemeinsamer Realität reagieren". Verkopft Formuliertes ist konkret etwa ein 30-Minuten-Video von Martin Beck mit Menschen in einem Zitterpappelwald.

 

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