Vereinfacher gegen Verkomplizierer

Marcel Odenbachs "Deutsches Symbol (VW)" von 1994 entpuppt sich aus der Nähe als Collage
Die Schau „Politischer Populismus“ in der Kunsthalle Wien zeigt hochaktuelle Kunst, die jedoch das Thema kaum erhellt.

Who’s got the big picture?“ hat die Künstlerin Johanna Kandl über ein großformatiges Gemälde geschrieben, auf dem ein Slum direkt neben schicken modernen Bauten zu sehen ist. Wer hat hier den Überblick, wer sieht und versteht das große Bild? Dass es schwierig und mühsam ist, Zusammenhänge zu erkennen, lässt sich angesichts des Weltgeschehens jeden Tag neu erfahren.

Vereinfacher gegen Verkomplizierer
Mit dem Ausstellungstitel „Politischer Populismus“ schürt die Kunsthalle Wien zumindest die Hoffnung, dass Kunst eine gangbare Alternative zu den Verkürzungen und Emotionalisierungen bieten kann, die Kennzeichen des grassierenden Populismus sind. Die Werkserie „Deutsche Symbole“ von Marcel Odenbach im Stiegenaufgang der Halle verdeutlicht den notwendigen Perspektivenwechsel: Was zunächst wie ein Firmenlogo oder ein Bundesadler erscheint, entpuppt sich aus der Nähe als Collage, in der etwa NS-Propagandaschriften ein VW-Zeichen bilden.

Alles hängt zusammen

Hier endet der illustrative Teil der von Kunsthallen-Chef Nicolaus Schafhausen kuratierten Ausstellung wieder: Denn obwohl viele Arbeiten hochaktuelle Themen wie Überwachung, Migration und Integration ansprechen, bleibt die Auseinandersetzung mit dem Begriff „Populismus“ selbst im Vagen.

Vereinfacher gegen Verkomplizierer
Als professioneller Kunstbeobachter hat man einige Werke in der Schau schon gesehen: Goshka Macugas Panorama-Bildmontage, als prächtiger Wandteppich ausgeführt, stammt von der Documenta 13 (2011); Hito Steyerls Videospiel-Installation „Factory of the Sun“ läuft bis 22.11. auch noch im deutschen Pavillon auf der Biennale Venedig. Die im Eingangsbrereich platzierten Auseinandersetzungen des Künstlers Simon Denny mit den – oft erstaunlich kindischen – Logos und Figuren, die in Geheimdokumenten der NSA verwendet wurden, sind ebenso ein Spin-Off seines Venedig-Beitrags.

Der große Abwesende

Doch was genau sind die „populistischen Argumentationsmuster“, auf die das Gezeigte nach Vorstellung von Kurator Schafhausen reagieren soll? Den Umstand, dass es abseits des Plakativen immer auch ein „Mehr“ und ein „Dahinter“ gibt, leuchtet gute Kunst so gut wie immer aus. Und um die Ästhetik der Verkürzung zur eingehenden Betrachtung vorzuführen, hätte man theoretisch auch Bilder von Andy Warhol in die Ausstellung hängen können.

So aber bleibt Populismus der große Abwesende: Die gezeigten Künstler fokussieren eher auf die vielen Details des „großen Bildes“, als sich eine ästhetische Gegenstrategie zum Populismus zu überlegen. Was bleibt, ist der plakative Titel der Schau – und der Umstand, dass Wiens Kulturstadtrat im Vorfeld der Gemeinderatswahl in durchaus populistischer Absicht freien Eintritt in die Ausstellung garantierte.

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