Verdi: Die Größten ehren den Größten

In der kommenden Woche wird es 200 Jahre her sein, dass Giuseppe Verdi in Le Roncole bei Parma geboren wurde. Der Komponist selbst pflegte jeweils am 9. Oktober Geburtstag zu feiern, laut Eintrag ins Taufregister könnte der Tag seiner Geburt aber auch ein 10. Oktober gewesen sein (komplette Biografie siehe unten)
Solche Detailfragen sind jedenfalls geradezu lächerlich angesichts des gigantischen Werkes, das Verdi hinterlassen hat. Ohne seine Opern wären die Spielpläne der internationalen Musiktheater um vieles ärmer. Zahlreichen Besuchern gilt er als größter Opernkomponist aller Zeiten. Schon zeitlebens war diese Bedeutung evident, und die Musikwelt trennte sich in Bewunderer Richard Wagners (der ebenso vor 200 Jahren geboren wurde) und solche, die das von Verdi perfektionierte italienische Repertoire vorzogen.
Für den KURIER ist all das jedenfalls ein guter Grund, dieses Kultur-„Buch“, das Sie in Händen halten, in erster Linie Giuseppe Verdi zu widmen. Mit zwei besonderen Highlights: Der Vorstellung einer neuen Doppel-CD aus der KURIER-Edition, die kommende Woche erscheint; und einem Interview mit dem wichtigen Verdi-Dirigenten Riccardo Muti, der über den italienischen Meister und vor allem über dessen „Messa da Requiem“ spricht. Diese wird, als Liveübertragung im Internet zum Verdi-Geburtstag mit Muti am Pult des Chicago Symphony Orchestra, von KURIER.at als einzigem Medium Österreichs übertragen (alle Infos dazu gibt's hier).
Auszeichnung
Aber bleiben wir hier bei der neuen Doppel-CD, die nach „Große Diven“,„Große Tenöre“ und „Richard Wagner“ bereits die vierte ist, die in wunderbarer Kooperation mit der Plattenfirma Universal entstand. Für die Wagner-CD wird es kommende Woche übrigens einen Preis für das exzellente Marketing-Konzept geben.
Das Vorwort für die neue CD hat Starbariton Thomas Hampson geschrieben, der (nicht nur) im Verdi-Fach zweifelsfrei zu den wichtigsten Sängern der Welt zählt. „Unabhängig davon, wie melodiös oder leicht wiedererkennbar seine Musik ist, scheint mir, dass die Kraft seiner musikalischen Sprache in erster Linie darin liegt, der emotionalen oder psychischen Verfassung der singenden Person Ausdruck zu verleihen“, schreibt Hampson.
Und: „Die Verdi-Sängerinnen und -Sänger, die mich am meisten beeindruckt haben, egal, ob auf der Bühne oder auf Tonträger, und die ich mir immer wieder gerne anhöre, sind jene, die ihr musikalisches Talent – sei es ihr außergewöhnliches Timbre oder ihr bemerkenswerter Stimmumfang – zur Blüte bringen. Aber diese Stimmen stehen immer im Dienste dessen, was und warum sie etwas singen. Die musikalische Sprache von Verdi scheint mir stets nach genau dieser Art von Kunstfertigkeit zu suchen.“ Das sei auf der KURIER-Doppel-CD „mit einem repräsentativen Querschnitt sehr gut zu überprüfen“.
Die Auswahl trafen die KURIER-Kritiker, die nach Belieben in den exzellenten Katalogen von Universal, Decca oder der Deutschen Grammophon wühlen konnten. Die Liste der Sängerinnen und Sänger liest sich wie ein „Who’s who“ der Oper von einst und heute: Anna Netrebko, Luciano Pavarotti, Joan Sutherland, Mario del Monaco, Birgit Nilsson, Plácido Domingo, Renée Fleming, Rolando Villazón, Edita Gruberova, Nicolai Ghiaurov, Renata Tebaldi, Thomas Hampson, Grace Bumbry, Bryn Terfel und viele andere.
Meisterwerke
Sie singen Arien aus Verdis berühmtesten Opern wie „La Traviata“, „Aida“, „Rigoletto“, „Il Trovatore“ oder „Don Carlo“, Auszüge aus seltener gespielten genialen Werken wie „Falstaff“ oder „Boccanegra“. Aber auch Chöre wie das berühmte „Va pensiero“ aus „Nabucco“ oder Raritäten wie „Luisa Miller“ oder „Giovanna d’Arco“ sind zu hören – letztere Oper mit Anna Netrebko als Johanna, womit sie zuletzt in Salzburg brillierte.
Die Orchester – von den Wiener Philharmonikern über die Berliner Philharmoniker bis zum Scala-Orchester – sind selbstverständlich die besten. Und die Dirigenten, von Herbert von Karajan über Carlos Kleiber, Sir Georg Solti, Giuseppe Sinopoli bis Claudio Abbado und Valery Gergiev sind ebenso Giganten. Einen besseren Querschnitt durch Verdis Schaffen werden Sie kaum finden.
Wer singt was? Ein Überblick
Starparade

Auf der neuen KURIER-CD sind Superstars von einst und heute, von Anna Netrebko bis Plácido Domingo, von Renée Fleming bis Luciano Pavarotti, von Renata Tebaldi bis Rolando Villazón zu hören. Dazu Dirigenten von Karajan bis Abbado, von Carlos Kleiber bis Solti und Sinopoli an den Pulten der Toporchester.
Preis
Die neue Doppel-CD gibt es ab Freitag zum Preis von 19,90 Euro im Handel und ab sofort über den KURIER-Club um 15,50 Euro.
Gewinnspiel
Unter kurier.at/klassikcd und unter kurier.at/gewinnspiele kann man ab Sonntag 25 Exemplare der neuen Verdi-CD aus der KURIER-Edition gewinnen.

Er ist nicht nur einer der bedeutendsten Dirigenten der Gegenwart, sondern auch einer der führenden Verdi-Experten. Zur Zeit probt Riccardo Muti in Chicago Verdis „Messa da Requiem“, das am 10. Oktober via Live-Stream auf KURIER.at (Details siehe unten) zu erleben sein wird. Der neapolitanische Maestro im Gespräch.
KURIER: Maestro Muti, Ihre Interpretation des Verdi-Requiems wird via Livestream übertragen. Ein Zugeständnis an die Neuen Medien?
Riccardo Muti: Eher ein Zugeständnis an Giuseppe Verdi. Wir wollen mit dieser Übertragung möglichst viele Menschen erreichen. Alle sollen die Möglichkeit haben, Verdis wunderbare Musik zu hören. Es geht nicht darum, Verdi noch populärer zu machen. Das geht ja fast gar nicht. Es geht vielmehr darum, dass Millionen Menschen auf der ganzen Welt im selben Moment diese Musik fühlen und durch diese Musik miteinander verbunden sind.
Glauben Sie, dass Musik die Menschen verbinden kann?

Wir leben in einer Gesellschaft mit so vielen Problemen. Es gibt Kriege, Krisen, Not und Elend. Ich denke, Musik kann die Menschen zusammenbringen, weil sie eine universelle Sprache ist, die jeder verstehen kann. Ob sich dadurch etwas verbessert, weiß ich nicht. Vielleicht ist es auch nur ein Traum. Aber auf jeden Fall einer, den man träumen sollte. In der Musik sollte es ja nicht primär um den persönlichen Erfolg der Interpreten gehen, sondern um eine Botschaft der Humanität. Wenn man so will, um Verdis Botschaft an die Menschheit. Wäre Herbert von Karajan noch am Leben, wäre er übrigens sicher der eifrigste Botschafter in den Neuen Medien.
Was verbinden Sie persönlich mit Verdis „Requiem“?
Ich habe das Requiem zum ersten Mal in den 1970er-Jahren dirigiert. In einer Basilika in Florenz und an den Gräbern der Borgias. Das werde ich nie vergessen. Verdi war ein Katholik im sehr liberalen Sinn. Er spricht hier Grundprobleme der Menschheit an. Wir sprechen dank Verdi direkt mit Gott. In dem Sinne: Du hast mich erschaffen, also errette mich auch. Es ist also ein forderndes Requiem, und Verdi lässt uns auch im Zweifel zurück. Aber wie in all seinen Werken, übrigens auch in den Opern, ist Verdis Blick immer gen Himmel gerichtet. Verdi hatte zwar Zweifel, was nach dem Tod sein mag. Doch er wusste, dass Antworten auf diese Frage ein Bedürfnis der menschlichen Seele sind. Insofern treten wir eine Reise ins Innerste unserer Seele an.
Sie gewähren in Ihrem neuen Buch „Mein Verdi“ intime Einblicke in Ihr Musik-Verständnis und kritisieren auch den heutigen Umgang mit Verdi ...
Wir haben im Verdi-Jahr 2001 anlässlich seines 100. Todestages es verpasst, ihn neu zu studieren. Diese Chance haben wir jetzt wieder. Denn wir sind oft sehr weit weg von dem, was Verdi eigentlich wollte. Die Aufführungspraxis hat da viele Fehler gemacht. Und auch das Publikum ist da ein bisschen nachlässig geworden. Alle warten immer nur auf Spitzentöne und wollen, dass Verdi so wie Puccini gesungen wird. Das ist völlig falsch. Verdi ist ein klassischer Komponist und steht etwa Haydn viel näher als Puccini. Dennoch darf man ihn nicht auf Originalinstrumenten spielen, das wäre ein Frevel. Aber diese Tatsache sollte man im Hinterkopf behalten. Und dann gibt es ja auch noch Regisseure ...
... denen Sie grundsätzlich sehr skeptisch gegenüberstehen ...
Was manche Regisseure da machen, ist eine einzige Beleidigung Verdis. Aber auch ein Missbrauch der Sänger und ein Affront gegen das denkende Publikum. Wir haben leider zu viele dieser sogenannten „gescheiten“ Regisseure, die sogar Rollen streichen, wenn ihnen zu einer Figur nichts einfällt, die nicht einmal die Partitur studieren können, die ihre so genannten „Ideen“ jedem Werk überstülpen. Bei so etwas mache ich nicht mit.
Also sollte man Verdi ganz klassisch inszenieren?
Vorsicht, eines darf nicht passieren: Verdi wollte kein Showbusiness. Weder szenisch, noch von mit ihren Stimmen protzenden Sängern. Verdi war ein Theatermann, er wusste ganz genau, warum er was wie komponierte. Es steht ja alles in den Partituren. Die müsste man sich nur anschauen.
Ist das einer der Gründe, weshalb Sie selten Oper dirigieren?
Auch. Aber es gibt noch einen zweiten Grund. Der liegt bei den Häusern selbst und deren Zeitplanung. Wenn ich eine Oper neu einstudiere, brauche ich dazu, um das gewissenhaft zu tun, mindestens einen Monat Zeit. Diese Zeit aber wird einem nur selten gegeben. Ich aber akzeptiere es nicht, wenn Sänger oder auch Dirigenten erst eine Woche vor der Premiere anreisen, um dann in einer Pfusch-Aktion irgendwas auf die Bühne bringen. Leider gibt mir auch die Wiener Staatsoper in dieser Hinsicht nicht die erforderliche Zeit.
Dabei lieben Sie Wien ...
Sehr sogar. Wien ist eine großartige Stadt mit einem sehr gebildeten und feinen Publikum. Und natürlich ist es die Stadt der Wiener Philharmoniker. Ich liebe dieses Orchester. Ich habe von den Philharmonikern im Laufe meines Lebens unendlich viel gelernt und komme für Konzerte immer gern wieder. Was Oper in Wien oder auch in Salzburg betrifft, so gilt aber: Man sollte niemals nie sagen.
Am 10. Oktober, wenn sich Verdis Geburtstag zum 200. Mal jährt, möchte Muti möglichst vielen die Gelegenheit geben, die Musik des großen Komponisten zu erleben. Mit dem Chicago Symphony Orchestra (CSO) wird er die „Messa da Requiem“ in Chicago zur Aufführung bringen. Tatiana Serjan (Sopran), Daniela Barcellona (Mezzosopran), Mario Zeffiri (Tenor) und Ildar Abdrazakov (Bass) sind die Solisten.
Via Internet kann die Weltöffentlichkeit daran teilnehmen. In Österreich stellt der KURIER – als einzige Tageszeitung – den Videostream unter kurier.at/musik zur Verfügung. Das Konzert beginnt zwar erst um 1:30 Uhr Nachts (MEZ), es wird allerdings danach vier Wochen lang on-demand verfügbar bleiben. Das Requiem ist Verdis wichtigstes Werk jenseits der Opern. 2011 gewann das CSO mit einer Aufnahme unter Muti zwei Grammys.
Trailer: Ricardo Muti dirigiert das Verdi-Requiem

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