Venedig-Biennale: Die Spinnen, die Künstler
Vor dem zentralen Ausstellungsgebäude in den Giardini der Venedig-Biennale hat der Künstler Tomás Saraceno ein neues Kabäuschen aufgestellt: Den Spinnen-Pavillon. „Spinnennetze sind nicht-menschliche Pavillons, die die Idee nationaler Repräsentation überschreiten“, ist darauf zu lesen. Im Inneren ist ein wundersames Gebilde zu sehen, teils offenbar von Menschen, teils von Spinnen gewebt – oder war auch ein 3D-Drucker beteiligt?
Die Biennale, von deren kuratierter Hauptausstellung stets ein Statement zur Lage der (Kunst-)Welt erwartet wird, findet sich heuer in einem Dickicht von Bild- und Sinnproduzenten wieder. Es gäbe viel am politischen Status Quo auszusetzen, doch die Produktionsmittel – neben klassischen Kunsttechniken auch Social Media, Computerspiele und Roboter – scheinen von jenen beherrscht, die nicht nur Gutes wollen. Also gilt es für Kreative, wie die Spinnen überall zu sein: „Künstler müssen in demselben Maßstab schaffen, in dem die Gesellschaft zerstört“, heißt es bei einem Neben-Event des Weltkunstspektakels.
Im Konzept des für die Hauptschau zuständigen Kurators Ralph Rugoff kommt der Satz nicht vor – er hat mit „May You Live In Interesting Times“ („Mögest du in interessanten Zeiten leben“) eine Parole gewählt, zu der so ziemlich alles passt.
Es webt und malt
Dabei hat der Kurator zweifellos etwas für Spinnen, für dezentrale Intelligenz und für Überlappungen von Mensch, Tier und Maschine übrig. Sonst würden wohl nicht überall die von Ed Atkins gezeichneten Vogelspinnen auftauchen, die das Porträt des Künstlers am Unterleib tragen. Auch die Tableaus und Skulpturen von Anicka Yi, bei denen Bakterien mit Computersensoren interagieren, um Materialität und Aussehen der Werke zu verändern, künden davon, dass der Mensch nicht mehr alleine an der Spitze der Kreativitätspyramide steht.
Der Eyecatcher im Zentralpavillon ist schließlich ein Industrieroboter, der darauf programmiert wurde, rote Farbpaste vor dem Zerfließen zu bewahren und dabei bestimmte Bewegungen auszuführen: Der von den Chinesen Sun Yuan und Peng Yu entwickelte Automat führt damit die lange als genial verklärte „malerische Geste“ ins Absurde. Zugleich wirkt der Roboter im Glaskobel wie ein armes, eingesperrtes Tier.
Dennoch zeigt Rugoff, der von jedem der 79 geladenen Kunstschaffenden je ein Werk im Giardini-Pavillon und eines im Arsenal zeigt, starke Zuneigung zur Malerei, Skulptur und Fotografie.
Eh auch schön
Die halb abstrakten Bilder der Österreicherin Ulrike Müller, die an Cindy Sherman erinnernden Foto-Inszenierungen von Martine Gutierrez oder die mit afroamerikanischen Themen befassten Gemälde von Henry Taylor bekräftigen die Idee, dass Kunst heute schön und trotzdem politisch sein kann.Doch trotz mancher Highlights wirkt Rugoffs Position in Summe zu bequem, zumal Neuentdeckungen rar sind: Auch wenn die Teilnehmenden aus vielen Ländern stammen, sind doch fast alle an die Kunstzentren New York-Berlin-London angedockt und dort etabliert.
Streckenweise wirkt die Ausstellung daher wie ein Best-Of aus Galerien und Kunsthallen – so waren etwa Gemälde von Nicole Eisenman und eine Installation von Anthea Hamilton bereits in der Wiener Secession zu sehen. Das „Andere“ (Afrika, Indien) erscheint allzu oft in hoch ästhetisierten Fotos und Gemälden, die das Exotische hervorkehren. Als Weltkunstschau, die nicht nur die Kunstwelt meint, war die Biennale schon weiter.
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