Valeria Gordeev gewinnt den Ingeborg-Bachmann-Preis

47. TAGE DER DEUTSCHSPRACHIGEN LITERATUR: ERÖFFNUNG / GORDEEV
Den mit 25.000 Euro dotierten Ingeborg-Bachmann-Preis 2023 gewinnt die Deutsche Valeria Gordeev für ihren Text über das Putzen.

Den mit 25.000 Euro dotierten Ingeborg-Bachmann-Preis 2023 gewinnt ohne Stichwahl die Deutsche Valeria Gordeev. Die deutsche Autorin Valeria Gordeev beschrieb in ihrem Text  "Er putzt" die Putzorgie eines Neurotikers. Die Jury lobt nicht nur den Text, sondern auch den Vortrag. So mancher wird nach der Lesung seine Wohnung nicht mehr mit demselben Blick sehen.

In ihrer Laudatio sagte Insa Wilke, ein Plädoyer wenn es um Empfindlichkeit gehe. Ein Text, der Belastung begegnete und sich weitete, ohne beliebig zu sein: Die Autorin habe Humor und liebe, was sie tue. Aber sie wisse um ethischen Grenzen. Sie lasse ihren Text sprechen, er vermittle, was Oberflächenspannung bedeute. Gordeev zeige einen möglichen Weg aus der Gleichgültigkeit, so Insa Wilke.

Debütroman

Gordeev studierte Mathematik und Illustration in Berlin sowie Literarisches Schreiben in Leipzig. Derzeit schreibt sie an ihrem Debütroman, der sich unter anderem mit dem Russland der Gegenwart auseinandersetzt. Ihre Eltern waren Ende der 1970er-Jahre aus der Sowjetunion ausgewandert, ihre Familie lebt heute in Deutschland, der Ukraine, Russland und den USA.

Das Schreiben ist nicht ihr einziges Betätigungsfeld: In Zusammenarbeit mit verschiedenen Künstlerinnen und Künstlern sowie Filmemacherinnen und Filmemachern wirkte sie als Liedtexterin, Darstellerin und Gestalterin mit. Zeichnungen sind im Guggolz-Verlag erschienen, dort übernimmt sie öfters Cover-Illustrationen.

Der Bachmann-Preis ist zwar ihre bisher größte, aber nicht einzige Auszeichnung: 2022 hatte sie den Preis der Floriana Biennale für Literatur erhalten, ein Jahr zuvor war sie für den Alfred-Döblin-Preis nominiert. Außerdem bekam sie verschiedene Literaturstipendien, unter anderem der Länder Baden-Württemberg (2020) und Brandenburg (2019).

Valeria Gordeev gewinnt den Ingeborg-Bachmann-Preis

Gordeev wurde 2023 auch erstmals mit einer neu kreierten Skulptur ausgezeichnet. Geschaffen wurde die 2,3 Kilogramm schwere Plastik vom Bildhauer Helmut Machhammer, sie trägt den Spitznamen "Inge".
 

Die weiteren Preisträgerinnen und ein doppelter Preisträger

Der Deutschlandfunk-Preis (12.500 Euro) ging an die 1984 geborene Wienerin Anna Felnhofer, die ihren Text "Fische fangen" im ORF-Theater gelesen hatte. Den Kelag-Preis (10.000 Euro) erhielt der polnisch-deutsche Autor Martin Piekar. Er lag nach der ersten Abstimmung der Jury mit elf Punkten gleichauf mit der 1996 geborenen Schweizerin Laura Leupi, setzte sich dann aber in der Stichwahl durch. Leupi bekam den mit 7.500 Euro dotierten 3sat-Preis. Neben diesen von einer siebenköpfigen Jury vergebenen Preisen gab es den BKS Bank-Publikumspreis (7.000 Euro plus Stadtschreiberstipendium), für den am Samstagnachmittag online abgestimmt werden konnte. Gewonnen hat ihn ebenfalls Martin Piekar für seinen Text "Mit Wänden sprechen/Pole sind schwierige Volk".

Nach der Absage von Helena Adler und Robert Prosser hatten sich seit Donnerstag zwölf Autorinnen und Autoren der Jury gestellt, die in einem neuen Abstimmungsmodus mit Punktevergabe entschied. Jedes Jurymitglied vergab fünf Punkte bis einen Punkt, ausgenommen waren ihre eigenen Kandidatinnen und Kandidaten. Das Abstimmungsergebnis wurde addiert, der Ingeborg-Bachmann-Preis ging an Gordeev, die mit 19 Punkten die höchste Punkteanzahl erreichte. Analog zu den Punktemehrheiten wurden die anderen Preise - ausgenommen der Publikumspreis - zuerkannt, Felnhofer verpasste den Hauptpreis mit 18 Punkten denkbar knapp.

Alle Preise im Überblick:

  • Ingeborg-Bachmann-Preis: Gestiftet von der Stadt Klagenfurt in der Höhe von 25.000 Euro: Valeria Gordeev
  • Deutschlandfunk-Preis: Gestiftet von Deutschlandradio in der Höhe von 12.500 Euro: er ging an die Wienerin Anna Felnhofer. Sie las auf Einladung von Brigitte Schwens-Harrant den Text „Fische fangen“.
  • KELAG-Preis: Gestiftet von der Kärntner-Elektrizitäts-Aktiengesellschaft in der Höhe von 10.000 Euro. Er ging an den deutsch-polnischen Autor Martin Piekar. Klaus Kastberger hatte den Text „Mit Wänden sprechen/Pole sind schwierige Volk“ nach Klagenfurt eingeladen und hielt die Laudatio.
  • 3sat-Preis: Gestiftet von 3sat, dem Gemeinschaftsprogramm der öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten ZDF, ORF, SRG und ARD, in der Höhe von 7.500 Euro. Er ging an Laura Leupi, nominiert von Thomas Strässle. Leupi las den Text „Das ABC der sexualisierten Gewalt“. 
  • Stadtschreiberstipendium im Verbindung mit dem Publikumspreis im Wert von 6.000 Euro: Martin Piekar
Valeria Gordeev gewinnt den Ingeborg-Bachmann-Preis

Der doppelte Preisträger Martin Piekar   und die Preisträgerinnen
Anna Felnhofer, Valeria Gordeev und Laura Leupi (v. l. n. r.) 
 

Die Bachmann-Preisträger seit 1977:

1977 Gert Jonke
1978 Ulrich Plenzdorf
1979 Gert Hofmann
1980 Sten Nadolny
1981 Urs Jaeggi
1982 Jürg Amann
1983 Friederike Roth
1984 Erica Pedretti
1985 Hermann Burger
1986 Katja Lange-Müller
1987 Uwe Saeger
1988 Angela Krauß
1989 Wolfgang Hilbig
1990 Birgit Vanderbeke
1991 Emine Sevgi Özdamar
1992 Alissa Walser
1993 Kurt Drawert
1994 Reto Hänny
1995 Franzobel (eigentlich Stefan Griebl)
1996 Jan Peter Bremer
1997 Norbert Niemann
1998 Sibylle Lewitscharoff
1999 Terezia Mora
2000 Georg Klein
2001 Michael Lentz
2002 Peter Glaser
2003 Inka Parei
2004 Uwe Tellkamp
2005 Thomas Lang
2006 Kathrin Passig
2007 Lutz Seiler
2008 Tilman Rammstedt
2009 Jens Petersen
2010 Peter Wawerzinek
2011 Maja Haderlap
2012 Olga Martynova
2013 Katja Petrowskaja
2014 Tex Rubinowitz
2015 Nora Gomringer
2016 Sharon Dodua Otoo
2017 Ferdinand Schmalz (eigentlich Matthias Schweiger)
2018 Tanja Maljartschuk
2019 Birgit Birnbacher
2020 Helga Schubert
2021 Nava Ebrahimi
2022 Ana Marwan
2023 Valeria Gordeev

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