Ungarn: Attacken gegen Lyrikerin Krisztina Toth gehen weiter

Solidarität im In- und Ausland. Direktor des ungarischen Kulturinstitutes in Wien antwortet heimischen Literaturverbänden und sieht "keine von den Regierungskreisen orchestrierte Kampagne".

Die ungarische Lyrikerin Krisztina Toth steht laut eigener Aussage seit Wochen im Mittelpunkt von Angriffen, rassistischen und sexistischen Beleidigungen. Seit sie Kritik an dem ungarischen Nationaldichter Mor Jokai (1825-1904) übte, der heuer im Mittelpunkt des Tages der ungarischen Prosa stand, nahm die Hetze gegen die Schriftstellerin ihren Lauf, vorrangig in regierungsnahen Medien.

Toth wurde vorgeworfen, ein Werk ("Az aranyember" - Ein Goldmensch) des namhaften Romanciers wegen seines Frauenbildes aus dem Lehrplan von Schulen verbannen zu wollen. Im Gegenzug schlug sie Werke zeitgenössischer Autorinnen vor. Es folge ein Shitstorm voller Hass und Drohungen gegen die 1974 in Budapest geborene Lyrikerin, deren Bücher - wie"Pixel" (2011) und "Aquarium" (2015) - auch in deutscher Übersetzung erschienen.

Solidarität mit Toth gab es im In- und Ausland. Die ungarische Szechenyi-Akademie für Literatur und Kunst verurteilte die "politische motivierten Angriffe und Drohungen" gegen ihr Mitglied wegen dessen in einer Literaturfrage formulierten Meinung. Dabei betonte die Aussendung der Akademie die Wichtigkeit der geistigen Freiheit des Künstlers, ebenso der schöpferischen Unabhängigkeit und der menschlichen Würde. "Wir protestieren gegen jegliche Form der Gewalt und Einschüchterung", hieß es.

Unterstützung für Toth gab es auch in Österreich durch die Grazer Autorinnen Autorenversammlung (GAV) und andere Literaturverbände, formuliert in einem Schreiben an den ungarischen Botschafter in Wien, Andor Nagy. Die Unterzeichner brachten ihre Besorgnis über "rassistische und sexistische Angriffe und Beleidigungen von regierungsnahen Medien, Fidesz-getreuen und rechtsextremen Journalistinnen und Journalisten" gegen die Autorin zum Ausdruck. "Wir fürchten nicht nur um die Freiheit der Meinungsäußerung und der freien Ausübung der künstlerischen Tätigkeit in unserem Nachbarland Ungarn, wir sind auch in großer Sorge um unsere Kollegin. Nicht-traditionelle genormte Menschenbilder sind in Ungarn mittlerweile quasi ungesetzlich", heißt es in dem Brief.

Die GAV erhielt nun eine Antwort des Direktors des ungarischen Kulturinstitutes Collegium Hungaricum Wien, Anzelm Barany. Er habe versucht herauszufinden, worauf die Behauptungen hinsichtlich rassistischer und sexistischer Angriffe der regierungsnahen Medien auf Krisztina Toth begründet sein könnten, "die Sie aber leider mit keinem einzigen Zitat belegen". Trotz intensiver Recherchen habe er in den Artikeln der ungarischen Presse keine solche Angriffe finden können. In Ungarn könne ein jeder seine Meinung frei äußern. Seit der Machtübernahme der jetzigen Regierungskoalition im Jahr 2010 habe Krisztina Toth in Ungarn 13 Bücher veröffentlicht. "Das zeugt nicht eben davon, dass Ihre Befürchtungen, dass die liberal denkende Krisztina Toth ihre künstlerische Tätigkeit nicht ausüben könne, wohl begründet sei", betont Barany. Sollte es Drohbriefe geben, rät er Toth zur Anzeige. "Der ungarische Staat schützt seine Staatsbürger vor solchen Bedrohungen und trifft die entsprechenden Maßnahmen. Ich kenne allerdings keinen einzigen Fall, wo die Gesundheit oder die Freiheit eines ungarischen Literaten während der Fidesz-Regierung gefährdet war."

Zu Beiträgen in sozialen Medien, meint der Direktor: "Hinter der manchmal groben Sprache und den bedauerlichen Beleidigungen eine von den Regierungskreisen orchestrierte Kampagne zu sehen, entbehrt aber natürlich jeder Grundlage." Im übrigen sei Mor Jokai "eine führende Gestalt der Märzjugend der bürgerlichen Revolution von 1848/49 gewesen".

Im Onlineportal "Mandiner.hu" wird Toth unterdessen nahegelegt, doch lieber schöpferisch tätig zu sein, als zu jammern und sich zu beschweren über das drastisch gesunkene Lebensniveau und die vergifteten Seelen. Viele ihrer Landsleute seien hasserfüllte Rassisten, zitierte das Onlineportal aus Toths Interview mit der österreichischen Wochenzeitung "Falter". Toth könnte oder wollte nicht verstehen, welches Gewicht ihre Worte in der Öffentlichkeit hätten. Wer seine Heimat aus Unwissenheit, von Gefühlen geleitet oder aus kalter Berechnung beschmutze, müsse auch das Odium seiner Tat und auch die berechtigte Kritik annehmen, schrieb "Mandiner.hu".

Die Angriffe belasten Toth schwer. Nach eigener Aussage traut sie sich kaum noch auf die Straße. Eine Interview-Anfrage der APA lehnte die Lyrikerin am Montag ab.

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