Uhren für die Ewigkeit

Thomas Baumann (Mitte) bürstet Zeit und Technik gegen den Strich.
Thomas Baumanns „The Big Why“ bei Krobath in Wien.

Ach, die Zeit: Künstler haben sich über Jahrhunderte hinweg bemüht, sie festzuhalten, haben Bilder von verrottendem Obst, Totenköpfen oder Sanduhren gemalt.

Im Feld der Skulptur, traditionellerweise meist eine eher handfeste Angelegenheit, scheint es noch schwieriger, das flüchtigste aller Phänomene festzuhalten, ja sogar zum formbaren Material der Kunst zu machen. Vor diesem Hintergrund sind die Arbeiten, die der 1967 geborene Künstler Thomas Baumann bis 15.3. in der Wiener Galerie Krobath (Eschenbachgasse 9, Di-Fr 11-18 Uhr, Sa 11-15 Uhr) zeigt, bemerkenswert.

Ausgependelt

Uhren für die Ewigkeit
Ausstellung "The Big Why" von Thomas Baumann , Eröffnung , Eschenbachgasse 9, Wien.
„The Big Why“, das titelgebende Werk der Schau, ist ein „Mittelding aus Metronom und Pendeluhr“, wie der Künstler selbst sagt. Ein Gewicht an einem Drahtseil setzt einen Mechanismus in Gang, in dem ein Stab unablässig hin- und herschwingt – etwa drei Stunden lang, dann muss das Werk wieder aufgezogen werden.

Das Kernstück, gleichermaßen Uhrwerk wie Skulptur, hat Baumann, einst Schüler von Bruno Gironcoli, unter Verwendung hochwertigster Bauteile angefertigt: Das Werk, so sagt er, solle seinen Besitzer „überleben“ können und über die Zeitspanne eines Menschenlebens hinausweisen.

Womit man auch schon auf der Meta-Ebene gelandet wäre, auf die Baumann sein Publikum transportieren möchte: An welchen Maßstäben, denkt man hier, misst man Zeit? Ist der Mensch das Maß aller Dinge, oder ist es das beständige Kugellager? Welche Bedeutung haben Minuten, Stunden, Jahre?

Bei aller Exaktheit von Baumanns Gebilden – ein wenig Bastlerstolz darf man inmitten all der kühlen Ästhetik auch vermuten – ist doch entscheidend, dass nirgendwo Maßstäbe oder Skalen zu finden sind: Die Schlaggeschwindigkeit des „Metronoms“ lässt sich nicht einstellen, die Uhr, normalerweise Sinnbild der Effizienz, ist von ihrem Nutzwert befreit.

Uhr kaputt

In der aktuellen Schau unterstreicht Baumann diese Charakteristik noch mit einer Reihe unbetitelter „Skulpturen“, die er aus alten Bahnhofs- und Industrieuhren fertigte: Vom Ziffernblatt und von allen Nutzungsspuren befreit, hat Baumann noch die Verglasung in Scherben geschlagen, so dass ein (fast) reines Objekt übrig bleibt.

Man vermeint in den Scherben noch Referenzen aufblitzen zu sehen, zur Minimal Art und den Leuchtröhren eines Dan Flavin etwa. Aber dominanter ist der Eindruck, dass sich hier jemand einen Akt der Befreiung geleistet hat: Von etablierten Systemen, vor allem aber vom Diktat der Zeit.

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