Udo Kier: Unser Mann in Hollywood
Am Sunset Boulevard
Wir Österreicher kennen den ja ziemlich gut, seit Jahrzehnten. Billy Wilder hat sich in „Sunset Boulevard“ (1950) – auf dt. „Boulevard der Dämmerung“ – ausführlich mit Hollywood und seinem Starsystem auseinandergesetzt, in Schwarzweiß.
Glücklich unter Palmen
Udo Kier, gebürtiger Kölner, sieht das etwas bunter. Und lockerer. Erstens fühlt er sich in Los Angeles „ganz glücklich unter Palmen“. Zweitens hat er in Hollywood – allen Drehbuchstreiks und der Internetkonkurrenz zum Trotz – noch nie eine echte persönliche Krise durchgemacht.
My L. A.
Als Nachkriegskind kannte der Schauspieler mit den stechend grünblauen Augen Palmen lange Zeit nur von Postkarten. Und das Leben in Hollywood schien ihm sowieso wie auf einem anderen Stern. Seit ihn aber Regisseur Gus Van Sant für die Dreharbeiten zu „My Private Idaho“ (mit Keanu Reeves) erstmals beruflich in die USA geholt hat, ist Udo Kier in Los Angeles sesshaft. Also seit mehr als einem Vierteljahrhundert. Anders ausgedrückt: Kier kennt L.A. ziemlich gut. Und erklärt den Leserinnen und Lesern der auf den folgenden Seiten, was man zumindest einmal gesehen haben sollte ...
Da geh ich gerne zum Essen hin. Letztens mit Verleger Benedikt Taschen und der Witwe von Helmut Newton, der ja vor mehr als zehn Jahren bei der Ausfahrt aus dem Hotel verunglückt ist. Oder wenn wieder ein Event ansteht. Etwa ein Comedy-Act mit Sandra Bernhard. Das Restaurant ist sehr exklusiv. Wie überhaupt alles, was in der Glitzerstadt Los Angeles europäisch wirkt, eine Spur teurer ist. Seit ,Blues Brother’ John Belushi in einem Bungalow des Chateau Marmont das Zeitliche gesegnet hat, schauen außerdem ständig Touristen vorbei. Ich weiß gar nicht, ob die überhaupt hereingelassen werden. Jedenfalls ist der Eingang gar nicht so einfach zu finden, was gut für die Gäste ist. Selbst wenn man es nur von der Ferne betrachtet, spürt man sofort den Atem der Geschichte. Und der ist hier geprägt von großen Stars und nicht ganz kleinen Skandalen.“
The Musso And Frank Grill
„Humphrey Bogart kippte so manchen Drink mit Dashiell Hammett an der Bar. Marilyn Monroe schaute mit Joe DiMaggio vorbei und davor Charlie Chaplin mit Mary Pickford. Mit einem Wort: Dieses Restaurant is the place to be. Nach wie vor. Es kann sein, dass du an ein und demselben Tag den Regisseuren Alexander Payne und Gus van Sant über den Weg läufst. Gerade zur Mittagszeit glaubt man, sich in Hollywoods beste Kantine verirrt zu haben. Übrigens: 2019 feiert das Musso and Frank seinen 100. Geburtstag. Schon jetzt aber profitiert man von den Künsten der Barkeeper. Sie mixen den angeblich besten Vodka Martini der Stadt. Immer schon.“
„Das Wahrzeichen von Hollywood zu sehen, den riesigen weißen Schriftzug, ist schon witzig. Man kann auch ganz nah rangehen. Aber aufpassen, dass man nicht über die Hügel ins Valley of the Dolls kullert.“
Walk Of Fame
Aus Wien zum Weltstar
Freizeit: Ich habe in der Internationalen Filmdatenbank imdb nachgesehen: Unter Ihrem Namen sind 234 Filme gelistet. Machen Sie auch einmal Urlaub?
Udo Kier: Heuer drehe ich schon den achten Film. Es werden immer mehr. Ich zähle gar nicht mehr. Gut, es sind Filme wie Armageddon dabei, wo ich nur eine kleine Rolle hatte. Aber immerhin, ich mache es seit 50 Jahren. Und ich werde heuer 73.
Echt jetzt? Sie schauen locker zehn Jahre jünger aus.
Und das ohne plastic surgery, ohne Nachhilfe beim Chirurgen. Das macht die Wüste. Die erdet. Ich sitze einfach da in der Wüste und beobachte das Leben. Da kommt ein Roadrunner, ein Wegekuckuck, und macht pick, pick, pick. Ich sitze da, 360 Grad Berge rund um meine Ranch. Das macht neutral. Ich habe auch kein TV und Radio dort.
Das ist aber jetzt nicht in Los Angeles, oder?
Nein, in Palm Springs, meinem Zweitwohnsitz, zwei Autostunden östlich von Los Angeles, quasi das Baden bei Wien in der Wüste von Kalifornien.
Führen Sie dort eine Existenz als Eremit?
Nö. Aber ich liebe Wüste, Sand und Kakteen, die reine, unbehandelte Natur.
Apropos Wien. Hier hat Ihre Filmkarriere begonnen, nicht wahr?
Ja, als junger Mann stand ich hier erstmals vor einer Filmkamera. Zuerst für Schamlos von Eddy Saller, dann in Mauterndorf für Hexen bis aufs Blut gequält. Das ist bis heute ein Film, der gerne gesehen wird.
Man kennt Sie auch unter der Bezeichnung „König der Nebenrollen“. Doch schön, dass Sie in Wien vor zwei Jahren für eine Hauptrolle besetzt wurden.
David Schalko bot sie mir für die ORF-Serie Altes Geld an. Das ist das erste Mal in meinem Leben, dass mir jemand diese Chance gegeben hat. Ich bin ja für den verstorbenen Gert Voss eingesprungen. Eine ganz neue Erfahrung. Den Knecht zu ersetzen, ist einfach, aber nicht den König.
Sie zählten zur Filmfamilie von Rainer Werner Fassbinder. Wo wären Sie heute, hätten Sie Deutschland nie verlassen?
Oh, Gott, Fassbinder. Ich war fünfzehneinhalb, er sechzehn. Ich bin der, der ihn am längsten gekannt hat. Ich bin ein lucky man. Ich bin überhaupt nicht ehrgeizig. Alles kam auf mich zu. So auch Regisseur Gus Van Sant. Ihm verdanke ich alles. Er hat mich 1991 neben River Phoenix und Keanu Reeves für My Private Idaho verpflichtet. Mein Ticket nach Hollywood.
Die Filmdatenbank verrät, dass Sie eben wieder mit Gus Van Sant gedreht haben.
Ja, wieder in Portland und ich bin wieder ein Hans, nur statt River Phoenix – der 1993 starb – spielt sein Bruder Joaquin die Hauptrolle. Wir verkörpern Alkoholiker, die sich bei einem AA-Meeting kennenlernen.
Das wird sicher ein Kassenerfolg, oder?
Eines habe ich in Hollywood gelernt: Ein Erfolg lässt sich nicht voraussagen. Ich machte schon Filme, da dachte ich: super. Dann welche, bei denen ich nicht restlos überzeugt war. Das Ergebnis am Box Office war oft anders, als ich dachte. Es kommt auch darauf an, was zum Startwochenende gerade in der Welt los ist. Insofern kann ein Trinkerdrama punkten. Getrunken wird immer.
Steht „Hans“ für Ihre Verbindung zu Ihrer Heimat Deutschland? Sie fahren in den USA ja auch einen „Nitribitt“-Mercedes.
Von so einem habe ich immer geträumt. In Deutschland hätte ich es mir nie leisten können.
Und die anderen Projekte?
Wenn ich jetzt den Vertrag unterschreibe, ist mein nächster Filmpartner Mel Gibson. Ich spiele einen Boutiquebesitzer, er einen Polizisten. Das andere wurde eben bei der Comic Con in San Diego vorgestellt: In WW2, der neuen Ausgabe von Call of Duty, des erfolgreichsten Videospiels der Welt, bin ich der Bösewicht – ein Nazi.
Nicht zum ersten Mal ...
Stimmt. Aber ich kann auch anders. Ich bin in einer Komödie neben Matt Damon und Christoph Waltz zu sehen: Downsizing von Alexander Payne. Damit komme ich Ende August zur Eröffnung der Filmfestspiele nach Venedig.
Wie steht es um Ihr eigenes Filmprojekt?
Es sind mehrere Projekte. Zum einen die Hommagen an Alfred Hitchcock, John Wayne und David Lynch. Und dann einen Western, da ich noch nie einen gedreht habe. Das Pferd dazu gibt es schon. Aus Plastik. Und mit einem Namen. Es heißt Max von Sydow.
Klingt doch gut.
Ja, Fantasie muss man haben.
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