Wenn’s die Frau Maibaum sagt ...
Gut, dass es die Frau Maibaum gibt. Sie kennt sich aus.
Zum Beispiel:
„Wenn einer alt ist und er will so viel schön sein wie ein Neuer, dann muss er bei der Polizei Strafe zahlen.“
Sagt Theresa.
Theresa ist vier; und ziemlich philosophisch.
Ist ihr Gesprächspartner, der Dramatiker Peter Turrini, leicht verwirrt („Wer sagt, dass er Strafe zahlen muss, wenn er alt ist?“), dann setzt Therese nach:
„Das weißt du nicht? Das weiß jeder. Die Frau Maibaum weiß das auch.“
Es könnte sich um die Kindergartentante handeln.
Na dann.
Seit Montag macht „Manchmal ist ein Fasan eine Ente“ glücklich. Ein Kinderbuch von Peter Turrini, eigentlich Gespräche mit Therese in Comic-Form.
Turrini ist ein „Haderer-Fanatiker“ und hat Gerhard Haderer deshalb so lange „angestrudelt“, bis er die Zeichnungen beigesteuert hat. Was ein Jahr dauerte. Peter Turrini gefällt sich, wenn man das so sagen darf. Das Buch gefällt ihm, es macht gleich viel jünger ...
KURIER: Wie viel Strafe würden S’ denn freiwillig der Polizei zahlen, um so viel schön zu sein wie ein Neuer?
Peter Turrini: Es hilft ja nix. Es funktioniert ja nicht. Ich könnte Kredite aufnehmen, bei allen Banken, ich könnte Schulden machen – das Ergebnis wäre immer der vorhandene Zustand.
Sind Sie verärgert, dass Sie schon 69 sind?
Das Jammern der Gleichaltrigen und auch Jüngeren erreicht mich. Aber ich hatte mit 30 das Gefühl des Verfalls. Das Leben war fern, der Tod nah. Jetzt hingegen geht es mir besonders gut. Ich schreibe in einem Jahr zwei Theaterstücke, früher war es ein Stück in zwei Jahren. Der Kopf glüht stärker denn je.
Und wie halten Sie den Druck aus?
Das frage ich mich auch. Die Alternative wäre Urlaub, aber Urlaub führt bei mir sofort zu Melancholie, in Bodenlosigkeit. Deshalb ist es gescheiter, ich schreibe und hänge meinen Figuren alle Unglücke an. Es ist besser, die haben Probleme und mir geht’s gut.
Wer ist Theresa?
Die Tochter meiner Nachbarin, 15 Meter von mir entfernt. Eines Tages kam sie mich besuchen, und während sie gezeichnet hat, haben wir Fragen des Alltags behandelt. Sie kam sehr oft, und wie sie die Welt betrachtet und beschrieben hat, das hat mich fasziniert. Dass manchmal ein Fasan eine Ente ist, ist etwas Besonderes. Theresa ist etwas Besonderes. Jetzt ist sie fünf, und die Buben im Dorf sind interessanter.
Hat sie das fertige Buch bereits begutachtet?
Ich glaube, sie hat schon eine Freude. Aber gesagt hat sie: Peter-Ini – Peter Turrini ist ihr zu lang – Peter-Ini, die Geschichten hamma doch alle schon geredet! Also habe ich ihr halt erklärt, was Literatur ist.
Laut Verlag ist „Manchmal ist ein Fasan eine Ente“ für Fünf- bis Siebenjährige.
Für Drei- bis 93-Jährige! Ich hoffe zumindest, dass es auch Alte gibt, die sich kindisch freuen können.
Es ist Ihr zweites Kinderbuch. Im ersten, preisgekrönten, haben Sie erklärt, was man tun muss, wenn man irrtümlich einen Wal geschluckt hat. Ihr erster und bisher einziger Roman erschien 1972 und hieß„Erlebnisse in der Mundhöhle“. Wär’s da nicht an der Zeit für den zweiten?
Er ist eines der scheußlichsten Dinge, die ich je geschrieben habe. Wenn ich Talent habe, dann im Dramatischen. Weil in meinem Kopf die Dialoge wüten. Unter uns: Ich war beim Schreiben total eingeraucht. So war das halt vor 40 Jahren. Heute würde ich den Roman nicht verstehen. Die Pointe ist: Die Kritiker meinten es so gut mit mir wie nachher selten. Sie haben die „Mundhöhle“ als Meilenstein des neuen Romans gefeiert!
Alle eingeraucht?
Jedenfalls erteile ich Ihnen die Absolution, ihn nicht zu lesen.
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