Türkisblaues Programm: Für kritische Kunst wird es ungemütlich

Immerzu Kontrolle: Schlagwörter im türkisblauen Kulturprogramm
Trenklers Tratsch. Eine Analyse des Kapitels "Kunst und Kultur" im türkisblauen Regierungsübereinkommen. Die Diktion der Freiheitlichen ist stark spürbar.

Auf den ersten Blick, aber nur auf den ersten, erscheint vieles, was die türkisblaue Regierung im Bereich Kunst und Kultur plant, vernünftig.

Man will prüfen, ob eine Bundesstiftung für den Ankauf bedeutender Kunst- und Kulturobjekte (bereits vor vielen Jahren in SPÖ-Kreisen angedacht) sinnvoll ist. Man will Literatur im öffentlichen Raum stärker fordern, wogegen nicht einmal Gerhard Ruiss, der aufmüpfige Sprecher der IG Autorinnen Autoren, etwas haben kann.

Man will ein analoges Film-Preservation-Center errichten, das schon ein Vorhaben von Josef Ostermayer, dem SPÖ-Kulturminister bis Mai 2016, war. Man will die Bundestheaterholding wie das Bundesdenkmalamt neu aufstellen. Nach dem Burgtheaterskandal, 2014 publik geworden, kam es bekanntlich doch nicht zu einer entscheidenden Umstrukturierung bei den Staatstheatern; und das Denkmalamt ist weiterhin eine nachgeordnete Dienststelle, für die eigentlich das Ministerium die Verantwortung zu tragen hat.

Man will den Föderalismus stärken (war ein Ziel von Franz Morak als Staatssekretär unter Schwarz-Blau), die sachgerechte Lagerung von Kulturgütern sicherstellen – etwa in einem Zentraldepot für alle Bundesmuseen (in Frage käme eigentlich nur Himberg, wo das KHM erst vor wenigen Jahren riesige Lagerflächen schuf) – und einen Denkmalfonds einrichten. Man will Kunst und Kultur stärker in den Kindergarten und in den Schulalltag integrieren, man will den Museumsbesuch für Familien attraktiver machen, man will den Nachwuchs fördern.

Souverän klingt der Umgang mit dem Gedenkjahr 2018, den man "würdig" begehen will. Neben 1848 und 1918 führt man auch 1948 (Erklärung der Menschenrechte) und 1938 an: Österreich bekenne sich "zu seiner Mitschuld" an "einer der größten Tragödien" der Weltgeschichte: "Wir wollen vor allem jener gedenken, denen infolgedessen furchtbares Leid und Unheil widerfuhr, und ein klares Zeichen gegen jegliche Form des Antisemitismus setzen." Das Feindbild der FPÖ ist ohnedies ein anderes geworden.

Aber es heißt Obacht zu geben. Denn die Diktion der Freiheitlichen ist stark spürbar. Das beginnt mit der Erklärung, dass die "Grundlage all unserer Kulturpolitik" die in der Verfassung garantierte Freiheit von Kunst und Kultur sei, der man sich uneingeschränkt verpflichtet fühle – entsprechend dem Wahlspruch der Secession: "Der Zeit ihre Kunst, der Kunst ihre Freiheit!" Denn die FPÖ, immer in Opposition zur kritischen Kunst, interpretiert den Satz gerne anders: Seit den Tagen von Jörg Haider will sie die Künstler aus der (finanziellen) Abhängigkeit des Staates in die Freiheit – und damit in die Vogelfreiheit – entlassen. Daher auch: "Förderung von Kunstschaffenden – unter klar definierten Qualitätskriterien – muss auch als Sprungbrett in die wirtschaftliche Unabhängigkeit gesehen werden."

Ein zentrales Wort ist "effektive Kontrolle": Man will alle Förderungen ab 100.000 Euro evaluieren, bei den Leitungsvereinbarungen "klare Wirkungsziele und objektivierbare Qualitätskriterien" fixieren, "volle Transparenz" bei der Kulturförderung sicherstellen, die Transparenzdatenbank mit allen "relevanten Daten" befüllen und so weiter. Doch wer bestimmt, was Exzellenz ist? Ist Odin Wiesinger, Lieblingsmaler der ultrarechten Szene, nicht exzellent – auf seinem Gebiet? Dass man sich zum österreichischen Film bekennt, weil er identitätsstiftend ist, und dass man das entstehende Haus der Geschichte völlig hinterfragt ("Ort, Konzept, Finanzierung"), passt da nur ins Bild.

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