"Trenklers Tratsch": Voges zieht Leine, Kušej trauert wütend

Das Gemüt von Martin Kusej hat sich verfinstert: Der Direktor konstatiert eine Krise 
Personalwechsel im Burg- und Volkstheater: Der eine Direktor nutzt die Gunst der Stunde, der andere malt tiefschwarz

Mitte Mai, nach der Programmpräsentation von Martin Kušej, fantasierte der Publizist Christian Ortner in der Presse, „Warum der Burgtheater-Chef gefeuert gehört“, wie der absurde Titel der Kolumne lautete: Kušej werde nicht dafür bezahlt, „das Burgtheater zu einer Vorfeldinstitution linker Parteien zu machen“, er missbrauche vielmehr „die ihm anvertrauten Geldmittel“.

Kušej ließ sich aber nicht abbringen. In der Bühne, dem Selbstdarstellungsorgan der großen Wiener Theater, wiederholte er sein Glaubensbekenntnis: „Nein zu Faschismus. Nein zu Rassismus. Nein zu Rechts. Da gibt es – meiner Meinung nach – überhaupt keine verschiedenen Haltungen.“ Mit seinem Spielplan unter dem Motto „Aufwachen, bevor es wieder finster wird“ will er sagen: „Schaut her, in diesem hochzivilisierten, sehr reichen und demokratischen Österreich lauert etwas erschreckend Gewaltbereites.“

 

En passant unterstellt Kušej der Presse, „missgünstig“ zu sein, „Freude am Misslingen anderer“ zu haben. Und er unterstellt Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer mit einer Hinhaltetaktik den „Teppich für Negativschlagzeilen“ ausgerollt zu haben. Hinter deren Entscheidung, seinen Vertrag nicht über den Herbst 2024 hinaus zu verlängern, sei „ja gar kein Plan oder eine Notwendigkeit“ erkennbar: „Diese politische Willkür hat das Burgtheater ohne Not in eine echte tiefe Krise gestürzt.“ Der Interviewpartner, Teil der angeblich missgünstigen Presse, sah keinen Anlass gegenzuhalten. Aber: Krise? Welche Krise? Stefan Bachmann wird übernehmen – und hoffentlich etwas weiser agieren.

 

Den Grund, warum der Vertrag nach fünf Jahren ausläuft, liefert Kušej, erschreckend gewaltbereit, übrigens selbst: Er würde Florian Teichtmeister bei einem zufälligen Treffen zuerst eine „knallen“ und dann erst mit ihm „reden“. Auch wenn Teichtmeister im Prozess (ab 5. September) verurteilt werden sollte: Jemanden zu schlagen, weil er gelogen hat, klingt nicht nach Führungskultur auf der Höhe der Zeit. Da ist ein Kay Voges schon viel umgänglicher und sanftmütiger.

Der Volkstheaterdirektor war, anders als Kušej, gar nicht an einer Verlängerung interessiert: Er folgt in Köln – nach einem Interimsjahr – auf Bachmann. Und nun werden in Wien Tränen vergossen. Man hält zwar fest, dass seine eigenen Inszenierungen „oft erstaunlich blass“ gewirkt hätten (so das profil), aber er hätte „das beste Ensemble der Stadt, das sich jeden Abend mit beeindruckender Verve“ verausgabe.

Jeden Abend? Im September gibt es gerade einmal sieben Vorstellungen im großen Saal. Im Burgtheater hingegen – die Saison startet am 2.9. mit dem „Sommernachtstraum“ in der Regie von Barbara Frey – geht 27 Mal der Lappen hoch! Und sorry, das Volkstheater erhält die Subventionen nicht, um Pop-Konzerte zu veranstalten. Paul Weller könnte am 25. September sicher auch anderswo auftreten.

Nicht nachvollziehbar ist auch die Behauptung im Falter: „Momentan stinkt das Burgtheater ziemlich gegen das Volkstheater ab.“ Wirklich toll sind etwa „Zauberberg“ wie „Zauberflöte“. Und in der Kritikerumfrage von Theater heute punktete die Burg mit der Nachwuchsregisseurin des Jahres, dem Kostümbild des Jahres und dem Bühnenbild des Jahres. Das Volkstheater hingegen ist da, wo es in der Regel ist. Unter ferner liefern.

 

Aber vor zwei Jahren sorgte Claudia Bauer – sie dramatisiert heuer als Saisonauftakt „Malina“ von Ingeborg Bachmann – für einen Megaerfolg. Er reichte als „Gehbehelf“ (so News) aus: Köln gierte nach Voges. Er wird wieder mit Entourage und Ehefrau übersiedeln. Aber nachtkritik.de, normalerweise Voges-freundlich, war nicht wirklich zufrieden: Die Art und Weise des Auswahlverfahrens sei „unbefriedigend, intransparent und gestrig“ gewesen, gewonnen habe eben wieder der „genialische männliche Künstlertypus“. Das erinnert stark daran, wie Veronica Kaup-Hasler einst Kay Voges fand, der das Volkstheater gar nicht gekannt hatte. Nun hat die Kulturstadträtin die Chance, es besser zu machen.

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