Traumpartner gesucht

Heinrich Steinfest
Heinrich Steinfests neuer Roman: Ein Spatz und ein Polizist wechseln die Seiten.

Ehret und preiset den Heinrich Steinfest, weil er so einen Vogel hat.

Und dass er 600 Seiten mit ihm gemeinsam durchhält.

Denn man kann leicht in aller Kürze säuseln: Ich träumte, ich sei ein Schmetterling. Aber vielleicht träumt ja der Schmetterling, dass er ein Mensch ist, der träumt, ein Schmetterling zu sein.

Aber in zwei parallelen Realitäten einen so prallen Roman zu füllen, einen spannenden noch dazu, in dem die Figuren die Seite wechseln, sich verwandeln und verwischen .... das ist schon, wie es früher in der Fernsehwerbung oftmals hieß, einen Asbach Uralt wert ("wenn einem so viel Gutes widerfährt").

Unvergesslich ein Bub, immer zum richtigen Zeitpunkt "hier" und "dort", um den Helden zu helfen.

Er seufzt:

"Ich kann ja auch nicht sagen, warum das alles so geschieht, wie es geschieht. Das ist für ein Kind schon ziemlich verwirrend!"

Für jeden ist es das. Aber SCHÖN verwirrend ist es.

Steinfest (der Wiener, der in Stuttgart lebt) arbeitet nach dem Leitsatz Louis Stevensons: Nicht seine Ähnlichkeit mit dem Leben machen einen Roman zum Kunstwerk, sondern die Unterschiede.

"Weil sonst wäre ich Journalist geworden."

Quimp und Blind

Ein Blick in "Das Leben und Sterben der Flugzeuge" soll wenig erklären, aber auf ein Abenteuer neugierig machen:

Ein junger Spatz in Paris, Quimp ist sein Name, träumt, er sei ein Polizist, der blind ist und Golf spielt ... Nein, da irrt der Spatz zunächst, Träume müssen erst scharf gestellt werden: Der Polizist HEISST Blind. Und ja, Blind spielt in der Freizeit gern Golf.

Wenn Quimp aus seiner Welt und von seinen Träumen erzählt, lernen wir die Menschen besser kennen. Er ist ein kluger Vogel.

Sein Traumpartner, der Polizist Blind, träumt, ein Spatz zu sein, und beide haben einen Auftrag:

Dem Spatz wird von einem sterbenden Agentenspatz befohlen, nach Wien zu fliegen. Selbstverständlich im Flugzeug. Der Polizist kümmert sich inzwischen um den mysteriösen Unfall eines Erfinders.

Alles hängt zusammen – Dinge, Menschen, Vögel. Das kann ein Trost sein.

Und heiter könnte es werden. Denn: Zieht sich Herr Blind eine Badehose an, könnten die Ebenen gerade in diesem Moment verwischen, und dann sitzt er auf einem Wirtshaustisch ...

Der Roman ist weniger abgehoben, als man glauben könnte.

Er flüchtet nicht. Er geht bloß einen besonderen Weg, um an tiefere Wahrheiten zu gelangen.

Mit Heinrich Steinfest auf dem Inzersdorfer Friedhof in Wien-Liesing. Hier – also: im Buch – hatte eine Katze den Quimp schon im Maul. Und in einem Haus an der Friedhofsmauer malt ein alter Mann Wassertropfen, immer nur einen Wassertropfen, in der Hoffnung, er könnte sich in einen echten verwandeln.

Wenn der 55-jährige Schriftsteller in Wien ist, ist er oft auf diesem Friedhof (wo das Grab seines verunglückten Bruders liegt).

Hier ist er dem Unsichtbaren sehr nahe.

Er sagt: "Es fehlt uns halt noch das Gerät, um das Unsichtbare zu beweisen."

Steinfest sieht Unsichtbares bereits ziemlich deutlich.


Heinrich Steinfest:
„Das Leben und Sterben der Flugzeuge“
Mit Zeichnungen des Autors.
Piper Verlag. 600 Seiten. 25,70 Euro.

KURIER-Wertung: **** und ein halber Stern

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