Träumer trifft auf Weltängstling und Fantastik auf Skurrilität

Einer der gezeichneten Albträume von Alfred Kubin: „Selbstbetrachtung“, um 1901/’02.
Feininger & Kubin: Zwei unterschiedliche, aber auch gleichsam introvertierte Künstlerpersönlichkeiten.

Lyonel Feininger und Alfred Kubin: Zwei von Selbstzweifeln geplagte Charaktere, zwei Temperamente, aber mit einer Weltsicht. Beide empfanden sich als weltfremde "Sonderlinge" und hatten doch die gemeinsame Überzeugung, "dass die Gegenwart ungenügend ist", erklärt Albertina-Chef Klaus Albrecht Schröder. Die Basis für eine "künstlerisch asynchrone Brieffreundschaft" ab 1912, dokumentiert durch insgesamt 37 Briefe.

Die zwei waren Seelenverwandte, aber sehr verschieden in ihren Künsten. Er sei ein "Träumer" und "Weltängstling", schrieb Kubin. Er befasste sich in seinen Tuschfederzeichnungen – von Feininger "Federgemälde" genannt – mit den düsteren, dämonischen und abgründigen Seiten des Lebens und hatte sein Frühwerk bereits vollendet, als Feininger noch auf der Suche nach seiner künstlerischen Ausdrucksform war.

Feininger, gebürtiger US-Amerikaner, der 1887 nach Deutschland gekommen war, um Violine zu studieren, war von 1900 bis 1915 in Deutschland ein bekannter Karikaturist und satirischer Zeichner u. a. für Ulk und die Lustigen Blätter.

Träumer trifft auf Weltängstling und Fantastik auf Skurrilität
Albertina Feininger und Kubin

Leiden an der Welt

Zusammengetroffen sind die beiden nur ein oder zwei Mal. Aber dass sie voneinander inspiriert waren, macht die von Ulrich Luckhardt und Eva Michel kuratierte und thematisch gegliederte Schau deutlich. Ebenso Feiningers Entwicklung vom Zeichner und Aquarellisten zum vom Kubismus in Paris beeinflussten Maler: Der litt als verschlossener Künstler oft an der banalen Realität der Welt und nannte bereits die um 1908 entstandenen fiktiven Städte und fiktiven Figuren "Stadt am Ende der Welt". Während sich der zurückgezogen lebende Kubin als Buchillustrator einen Namen machte.

Kontrastreich die 100 Gemälde und Grafiken: Einerseits Kubins düstere und unheimliche Fantastik und andererseits Feiningers bunte, fast heitere Skurrilität. Der Amerikaner und langjährige Bauhaus-Meister hat seinen Kirchen, Türmen, Brücken, Architekturen und Städtebildern unverwechselbar kraftvolle, mitreißende Formen gegeben. Seine Schiffe, Marinebilder und See-Landschaften erzählen von Fernweh und Sommerfrische, seine Karikaturen und Cartoons haben Witz und weisen Feininger als genauen Beobachter seiner Umwelt und der Menschen im Alltagsleben aus.

"Auf mich wirken die widerspruchsvollen und traurigen Seiten des Lebens eindrucksvoller als das sogenannte ,Gute, Klare‘" erklärt hingegen Kubin. "Ich sehe alles in visionären Formen, in Bildern und im Nachgrübeln über diese Bilder und Festhalten derselben vergeht mein Leben …"

Info

Lyonel FeiningerAlfred KubinAlbertina (bis 10. 1. ); tgl. 10–18, Mi. 10–21 Uhr; Katalog(Verlag Hatje Cantz), 29 €.
Die Ausstellung zeichnet die künstlerischen Wege der beiden Künstler über 15 Jahre nach, greift dabei viele gemeinsame Themen auf. Bindeglied der etwa 100 Exponate ist ihr Briefwechsel, der im Katalog erstmals vollständig veröffentlicht wurde.

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