Toni Morrison: Wer den Rassismus wählt, hat nichts und ist nichts

In ihrem elften Roman ist die Nobelpreisträgerin deutlich wie nie zuvor..

Schwarz ist nur eine Farbe.

In diesem Geist hat Toni Morrison, Nobelpreisträgerin von 1993, zehn Romane geschrieben. Als erste Schriftstellerin, die sich mit jungen, schwarzen Frauen beschäftigte ... über die es sonst nur Witze gab, die die Seele beschädigten.

Im elften Roman, "Gott, hilf dem Kind", lässt es die mittlerweile 86-jährige Amerikanerin einen klugen jungen Afroamerikaner direkt aussprechen.

Er sagt es seiner wunderschönen Freundin, die zwar schon 23 ist, aber erst langsam aufwacht:

"Es ist nur eine Farbe. Ein genetisches Merkmal -– kein Makel, kein Fluch, kein Segen und auch keine Sünde."

Lula Ann, die sich lieber Bride nennt, Braut, wird einwerfen: "Aber andere denken an rassen ..."

"Wissenschaftlich betrachtet gibt es so was wie Rassen gar nicht, und ohne Rasse ist Rassismus nichts anderes als eine Wahl, die jemand trifft."

Wer eine solche Wahl trifft, hat nichts und ist nichts.

Drumherum ist die Coming-of-Age-Geschichte . Toni Morrison lässt Lula Ann in den 1990ern auf die Welt kommen. Es lagen zwar in den Kirchen nicht mehr zwei Bibeln auf dem Altar: eine für Weiße, die einander Treue schworen, eine für Schwarze.

Dünne Firnis

Aber Afroamerikaner waren (zumindest damals noch) die Letzten, die einen Job bekamen; und die Ersten, die gefeuert wurden.

... und Lula Ann ist noch dazu ein sooo dunkles Baby, wie Mitternacht, wie Teer.

Wie soll man da überleben? Ihre Mutter hätte sie am liebsten umgebracht. Um von ihr geliebt zu werden, hat das Kind gelogen. Ein Leben lang wird Lula Ann davon verfolgt werden.

Schnitt.

Sie wird zu Bride und wird ein Markenzeichen. Eine erfolgreiche Geschäftsfrau in der Kosmetikbranche, die nur weiße Kleidung trägt. Ein Panther im Schnee.

Aber "Schönheit ist eine dünne Firnis", man sollte sich nicht darauf verlassen. Bride wird es lernen, und wenn sie erkennt: "Ich will solide Leute mit Bauch um mich haben!" ... dann ist ein höchst begrüßenswerter Satz gefallen.

Toni Morrison, wegen Arthritis im Rollstuhl, ist gegen das Wort "beautiful" sowieso allergisch. Bei ihrem Wien-Besuch 2006 erzählte sie im KURIER-Gespräch von ihrer Enttäuschung, wenn Leser über ihre Romane "beautiful" sagen. Wachgerüttelt sollen sie werden!

"Wieso beautiful? Da geht es doch um dich! Um uns! Um Brutalität, Falschheit! Und dann fällt den Leuten nur das Wort beautiful ein."


Toni Morrison:
„Gott, hilf dem Kind“
Übersetzt von Thomas Piltz.
Rowohlt Verlag.
208 Seiten.
20,60 Euro.

KURIER-Wertung: **** und ein halber Stern

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