Töten und tröten: Installation im Theseustempel

Susan Philipsz: "War-damaged Musical Instruments, Pair" im Wiener Theseustempel
Im Wiener Volksgarten erklingen Trompeten, die einst vom Krieg beschädigt wurden.

Der Volksgarten und der Heldenplatz werden gern als "Erinnerungsorte" beschworen. Im Vorjahr erst gedachte man in den nahen Museen und der Nationalbibliothek noch der Schüsse von Sarajevo und der Katastrophe des Ersten Weltkriegs, heuer steht die "Wiedergeburt" der Republik im Zentrum der Erinnerungsarbeit. Den Nachbildern des "Anschlusses" im Jahr 1938 entkommt man an diesem Orten ohnehin nicht. Ein Problem kehrt bei all den Gedenk-Orten wieder: Wie lässt sich Geschichte heute vergegenwärtigen?

Seit kurzem erklingt nun aus dem Theseustempel im Wiener Volksgarten ein "Tröööööt" als mögliche Antwort auf diese Frage. Die Töne stammen von einer Klanginstallation, die die britische Künstlerin Susan Philipsz im Auftrag des "Modern & Contemporary"-Programms des Kunsthistorischen Museums realisierte (zu erleben bis 4. Oktober).

"War-Damaged Musical Instruments (Pair)" besteht aus zwei Lautsprechern, die Töne zweier unterschiedlicher Trompeten wiedergeben. Die Instrumente stammen aus dem späten 19. Jahrhundert und fanden einst in einem Kavalleriereregiment des Thronfolgers Erzherzog Franz Ferdinand Verwendung.

Susan Philipsz - sie ist Trägerin des renommierten Turner Preises für britische Gegenwartskunst - befasste sich sich 2013 erstmals in einer Ausstellung in Düsseldorf mit kriegsbeschädigten Musikinstrumenten. Die Objekte würden starke Assoziationen heraufbeschwören, erklärte Philipsz bei der Präsentation ihrer Wiener Arbeit. Zugleich gehe es ihr darum, mithilfe von Klängen Bewusstsein für Räume und Architektur zu schaffen.

Für die Wiener Installation spielten Musiker auf beiden Trompeten die Töne einer Melodie namens "The Last Post" - sie wird in der britischen Militärtradition am Ende des Tages, aber auch auf Soldatenbegräbnissen gespielt. In Philipsz' Installation ist sie wegen der langen Zeitintervalle nicht wirklich zu erkennen und eher atmosphärisch präsent.

Das Referenzuniversum, das die Künstlerin mit der Arbeit aufschließt, berührt also militaristische Traditionen im Umgang mit im Krieg gefallenen Menschen; die Instrumente selbst sind eine direkte Verbindung zum Thronfolger Franz Ferdinand, dessen gewaltsamer Tod in Sarajevo 1914 den Ersten Weltkreig auslöste. Den Trompeten, selbst "Kriegsopfer" im übertragenen Sinn, wird durch den Atem der Musiker gewissermaßen neues Leben eingehaucht.

Der Geist des Ortes

Philipsz recherchierte aber für ihre Arbeit auch noch die Geschichte des Ortes, an dem heute der Theseustempel steht. Das Areal entstand, nachdem Napoleon während der Besetzung Wiens (1805-1809) die Stadtmauern zwischen Augustiner- und Löwelbastei schleifen ließ; der idyllische Park kann also gewissermaßen auch als "Kriegsopfer" gelten. Die Statue, die der Theseustempel einst beherbergte, ist ihrerseits martialisch: "Theseus besiegt den Centauren" von Antonio Canova wurde 1890 in den Stiegenaufgang des Kunsthistorischen Museums versetzt.

Töten und tröten: Installation im Theseustempel
Antonio Canova, Theseusgruppe, in der ursprünglichen Installation im Theseustempel
Heute, im Jahr 2015, bekommt die Installation noch eine zusätzliche kulturpolitische Dimension. Schließlich schallen die Trompetenklänge hin in Richtung der "Neuen Burg", in der demnächst das "Haus der Geschichte" entstehen soll, das ebenfalls die Vergegenwärtigung historischer Vorgänge zum Inhalt haben wird. Um die räumliche Aufteilung sind, wie berichtet, mitunter heftige Debatten entbrannt. Unterstützer der ebenfalls zum KHM-Verbund gehörenden Sammlung Alter Musikinstrumente, die ebenfalls in der Neuen Burg beheimatet ist, befürchten dass die Sammlung im Depot verschwinden könnte; auf KURIER-Nachfrage wird seitens des KHM beteuert, dass die Sammlung auch künftig in jedem Fall gezeigt werden wird, Details müssen allerdings erst nach Vorliegen eines Raumkonzepts für das "Haus der Geschichte" verhandelt werden.

Kriegsbeschädigte Instrumente fanden sich in der Sammlung Alter Musikinstrumente übrigens keine: Für ihre Installation musste Susan Philipsz daher auf Trompeten aus dem Münchner Stadtmuseum zurückgreifen.

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