Gottschalk und die Häme: "Das war die Hölle"
Thomas Gottschalk ist bekannt dafür, dass er gerne Unsinn redet (Selbstzitat) – und gerne einmal Geschmacks-, Pointen- und sonstige Grenzen auslotet.
In seinem neuen Lebenskapitel aber ist es nicht er, der Grenzen überschritten hat – sondern es sind ganz viele andere. Der Zeitraum von Gottschalks Auftritt beim „Bambi“ bis zum Interview, in dem er seine Krebserkrankung öffentlich machte, wird Medienethiker und Soziologen noch lange beschäftigen.
Dass man nun weiß, dass Gottschalk beim „Bambi“ wegen einer Krebserkrankung unter schweren Schmerzmitteln stand, stellt nämlich die mediale und kollegiale Häme und den Spott aus dem Publikum, die über ihn hereinbrachen, in ein anderes Licht. Eines, das grell scheint – nicht auf Gottschalk, sondern auf die anderen. So hatten ihn Kollegen ausgebuht, forderten danach „Schluss mit der Nachsicht“ für Gottschalk – oder drehten Instagram-Videos, in denen sie sich über Gottschalk echauffierten. Ebenso fuhren Boulevardmedien die ganz harten Schlagzeilengeschütze auf.
Thomas Gottschalk mit seiner Frau Karina bei der ROMY in Kitzbühel
Weitergedreht
Im Rückblick nun liegt der Eindruck nahe, hier (auch) einem Medienversagen beigewohnt zu haben. Dass sich die mediale Maschine nun auch nach der Bekanntgabe Gottschalks, schwer erkrankt zu sein, ungerührt weiterdreht, ist keine Überraschung, aber doch auf erstaunliche Art schmerzbefreit: Boulevardmedien schalteten innerhalb kürzester Zeit von Häme („TV-Skandal“) auf Mitgefühl um. Dass der Druck auf den schwer kranken Gottschalk Auswirkungen hatte, sagt er selbst.
Öffentlich gemacht hat Gottschalk seine schwere Erkrankung nach seinem Auftritt bei der KURIER ROMY in Kitzbühel. Auch dort zeigte er die Auswirkungen der Medikamentierung, es wurde ihm aber von Moderator Hans Sigl und KURIER-Geschäftsführer Richard Grasl Unterstützung zuteil: Sigl kam bei den beginnenden Schwierigkeiten Gottschalks auf die Bühne, beruhigte ihn und machte ein Selfie mit Gottschalk. Grasl brachte mit lobenden Worten für Gottschalk die ROMY.
KURIER-Geschäftsführer Richard Grasl überreichte Thomas Gottschalk am Freitag die Diamant-ROMY.
Warum Gottschalk für die ROMY nicht absagte? „Dann wäre noch mehr Häme über mich hereingebrochen“, sagte Gottschalk nun der Bild-Zeitung. Ein Satz, der nachdenklich machen darf und nachdenklich machen muss.
So verwundert auch nicht, dass Gottschalk in Kitzbühel seinen Gesundheitszustand nicht thematisierte und auf entsprechende Fragen ausweichend oder abwiegelnd antwortete.
Auch die sozialen Medien verstärkten den Druck. Zu den vielen, vielen spöttischen Reaktionen und Kommentaren im Internet nach dem „Bambi“-Auftritt sagte Gottschalks Frau Karina: „Das war für mich die Hölle, weil ich ja die Wahrheit kenne. Am liebsten hätte ich jeden angeschrien: Nein, es geht uns nicht gut. Vor allem Thomas geht es nicht gut. Er ist schwer krank!“
Nun tritt Gottschalk das letzte Mal in einer großen Samstagabendshow auf. Am 6. Dezember nimmt er bei RTL Abschied von dem Sendezeitpunkt, den er mit „Wetten, dass ..?“ beherrschte wie kein anderer.
Der Sender teilte mit, das sei Gottschalks ausdrücklicher Wunsch. An seiner Seite hat er seinen alten Freund und Weggefährten Günther Jauch sowie seine langjährige Co-Moderatorin Barbara Schöneberger.
Viele Menschen werden zusehen. Es ist auch für sie – und die Medien – eine Chance, es besser zu machen. Wenn auch reichlich spät.
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