Theaterfest NÖ: "Zeit für eine weibliche Lesart der Geschichte von Salome"

„Das Fest des Herodes“ (1533) von Lucas Cranach d. Ä.: Salome präsentiert den Kopf Johannes des Täufers (Bildausschnitt).
Retz ist Avantgarde beim Theaterfest Niederösterreich. Das Festival feiert heuer sein 20-Jahr-Jubiläum und widmet sich als einzige Kulturinstitution Europas seit seiner Gründung der Kirchenoper – heuer in spezieller Präsentation zur Frage: Wie wird ein Frauenbild gemacht unter männlicher Perspektive?
Bei Antonio Maria Bononcinis „Salome“ (1709) „versuchen wir, die drei Kunstformen Live-Musik, Film und Szene komplett miteinander zu verschränken im Kirchenraum“, erklärt Nicole Aebersold im KURIER-Gespräch das Konzept ihrer intermedialen Inszenierung.
Intermedial inszeniert
„Wir nutzen den Film tatsächlich auch als erzählendes Element, planen also nicht das Stück analog und drehen dann etwas dazu, sondern denken die Geschichte von Anfang an auch filmisch – immer in Korrespondenz mit Live-Musik und Live-Szene.“
Seit Jahrhunderten ist der Mythos um die biblische Figur der Salome, die vor allem durch die Geschichte der Enthauptung Johannes des Täufers bekannt ist, Projektionsfläche patriarchaler Fantasien.
Bei der seit Kurzem in Wien lebenden Schweizer Filmemacherin und der israelischen Choreografin Jasmin Avissar wird das von Bononcini knapp 200 Jahre vor der verstörenden Version von Richard Strauss für den Wiener Kaiserhof komponierte Oratorium über das „Blutfest des Herodes“ zur „multimedialen Phantomjagd durch zwei Jahrtausende männlicher Fantasien“.
Denn 2000 Jahre lang wurde „Salome“ „aus männlicher Sicht erzählt“, so Aebersold. „Es ist Zeit für eine weibliche Lesart der bekannten Geschichte.“

Nicole Aebersbold: "Es ist Zeit für eine weibliche Lesart der bekannten Geschichte um die biblische Figur der ,Salome‘."
Thema aktuell relevant
„Als Werkzeug im Kommen in der Regiearbeit“ ist die künstliche Intelligenz, die ungeahnte Möglichkeiten eröffnet, aber für Aebersold „auch fragwürdig ist für eigenständige Kunstproduktionen, weil daraus nie etwas vollkommen Neues entstehen kann.“
Intendant Christian Bai-er sucht Stücke, die auch eine aktuelle Relevanz haben: „Bei den vielen Femiziden und einem Frauenbild, das immer rückschrittlicher wird, jedenfalls in rechtspopulistischen Kreisen, ist es mir wichtig zu sagen: Woher kommt denn das eigentlich?“
„Die Salome hat in der Bibel noch überhaupt keinen Namen. Den bekommt sie erst im 5. Jahrhundert durch einen Mönch. Und alles, was man beim Namen nennen kann, kann man auch verteufeln ...“
Die „Weiblichkeit“ – die soziale, rechtliche und politische Stellung von Frauen in Vergangenheit und Gegenwart – ist heuer auch sonst Schwerpunktthema in der Weinstadt Retz: u. a. mit Sara Mingardo und dem Ensemble Continuum Wien, Die Knoedel aus Tirol, die sich der New Alpine Chamber Music verschrieben haben, der Sopranistin Sandra Foschiatto und dem Pandolfis Consort Wien und der Cembalistin Elisabetta Guglielmin und dem römischen Ensemble Aimart Antico.
Programm und Karten: www.festivalretz.at
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