"Praterstern" in Melk: Im Spannungsfeld der kleinen Welt, in der wir leben

46-216156972
Sommerspiele Melk zeigen ein Auftragswerk von Michael Köhlmeier und Monika Helfer.

Vor der Kulisse von Stift Melk waren bisher die großen Mythen der Menschheit Thema. Aktuell ist in der Wachauarena das Auftragswerk an das Schriftstellerehepaar Monika Helfer und Michael Köhlmeier am „Praterstern“ (bis 16. 8.) angesiedelt – mit „Szenen aus unserem tragikomischen Leben“, so der Untertitel.

Es könnte natürlich auch woanders spielen: in einer Welt, die aus den Fugen gerät, konkret einem Terroranschlag, der als beklemmende Szenerie hier den Hintergrund bildet und die durch die Tragödie von Graz zuletzt traurige Aktualität erlangte.

Viel Sirenengeheul, Hubschrauber-Geknatter und künstliche Aufgeregtheit suggerieren, was das schwarz gewandete Chor-Ensemble singt: Schock und Angst. Die schwarz-weiße Bühne hat Anja Lichtenegger als „Zerrbild, Traumlandschaft und Projektionsfläche“ gestaltet und darauf riesige, schräge Buchstaben drapiert.

46-216157692

Die Regisseurin Christina Gegenbauer reiht die einzelnen Episoden des Stücks neu kombiniert und geschickt miteinander verwoben aneinander.

Lob des Alltags

Erzählt werden Geschichten von skurrilen Alltagsfiguren und ihren Sehnsüchten und Träumen, Abgründen und Nöten, Stärken und Schwächen.

Acht Darsteller agieren dabei fast ausschließlich in Doppelrollen: etwa Kajetan Dick als Bettler und als Edmund bei einem Date im Stundenhotel.

Hemma Clementi lamentiert als delogierte Frau Meinrad über ihr Schicksal und über ihren kleinkriminellen Sohn Francesco. Julia Cencig gibt als Schriftstellerin den Rat: „Wenn es Dir schlecht geht, erinnere dich! Sich erinnern heilt.“

Jimi (Sebastian Pass) öffnet das Grab seines Vaters, um an den in dessen Anzug steckenden Lottoschein zu kommen. Gar nicht frei von Klischees und wie eine Karikatur ist ein Polizistenpaar gezeichnet.

Auftritte als Elisabeth mit Lachyoga hat Pippa Galli, die mit Nikolaj Efendi den atmosphärisch passenden elektronischen Soundtrack zum Stück kreierte und die Texte für den Chor schrieb.

46-216157693

Pointenarm

Gespickt ist der szenische Bilderbogen mit gelegentlichen Pointen, etwa wenn die Ehefrau fragt: „Haben wir gelacht, bevor uns das Lachen vergangen ist?“ Und der Ehemann antwortet: „Nicht dass ich wüsste.“ Neben Wort- und manchem Flachwitz wie: „Wonach sehnt sich die Katze? Nach dem Muskelkater.“

„Wir müssen uns vielleicht davon verabschieden, den Alltag als etwas Niedriges zu sehen“, sagte Köhlmeier. „Der Alltag ist der Mythos der Demokratie.“

Große Worte. Denn allzu Alltägliches ist auch am Theater oft nur trivial. Auch wenn die Absicht des Autors war, auf banalste Ereignisse so zu blicken, „als sähen wir sie zum ersten oder letzten Mal.“

Freundlicher Applaus am Ende eines Abends, der an Jérôme Savary erinnerte: „Alles, was am Theater länger als zwei Stunden dauert, sollte von Amnesty International verboten werden.“

Kommentare