Emilie-Flöge-Stück im Hamakom: Der Klimt-Gustl im Fledermaus-Kleid
Aus rein ästhetischen Gründen muss man sagen: Das war eine wirklich schöne Premiere. Sehr viele offensichtlich modeaffine Menschen (man sah sogar nachempfundene Flöge-Frisuren!) in einem Jugendstil-Theater, auf dessen Bühne die Geschichte eines mondänen Wiener Modesalons der Jahrhundertwende nachempfunden wurde. Alle Darsteller in schwarz-weißen, mit einzelnen Farbtupfern versehenen Wallekleidern, um sie herum der pure, eindrucksvolle Raum des Hamakom-Theaters (sehr viel mehr Kulisse ist hier auch gar nicht möglich).
Wien, Welthauptstadt der Moderne und der Schenkelklopferwitze. Wenn die Rede von Emilie Flöge ist, der wegweisenden Designerin, die mit ihrem Reformkleid die Frauen vom Korsett befreit hat, gibt es immer jemandem, dem dazu einfällt, dass vor allem Gustav Klimt Emilie Flöge vom Korsett befreit habe.
Gustav Klimt war 29, ein gestandener Mann und bereits erfolgreicher Künstler, als er die 17-jährige Emilie Flöge kennenlernte. Er malte sie und ja, sie wurden ein Paar. Und bald auch ein beruflich gemeinsam erfolgreiches Duo. Aus einem moderaten, im Vergleich zu ihm aber bildungsbürgerlichen Umfeld stammend, arbeitete sie sich von der Damenschneiderin zur extravagenten Designerin mit eigenem Salon auf der Mariahilfer Straße hoch, wobei auch seine Kontakte zur Wiener Gesellschaft halfen. Ihre unkonventionellen Hängekleider mit Mustern der Wiener Werkstätte trug die Avantgarde der Wiener High Society – von Sonja Knips über Adele Bloch-Bauer bis Eugenia Primavesi. Die begüterten, kunstaffinen Damen waren Kundinnen sowohl bei Klimt als auch bei Flöge: Er malte, sie entwarf. Man arbeitet auf Augenhöhe. Sie war alles andere als seine bloße „Muse“, wie es immer wieder heißt. Er, anders als viele seiner Künstler-Zeitgenossen, respektierte ihre Arbeit, wie in Margaret Greiners Flöge-Roman-Biografie „Auf Freiheit zugeschnitten“ nachzulesen ist. Nach ihrem Buch ist nun das gleichnamige Stück entstanden, das Sarantos G. Zervoulakos und Miriam V. Lesch für die Bühne adaptiert haben.
Das Stück fokussiert einerseits auf Flöges Erfolgsgeschichte. Darauf, dass sie eben keine bloße Muse war. Sondern eine hart arbeitende, ihre zeitweise bis zu 80 Mitarbeiterinnen auch manchmal hart behandelnde Arbeitgeberin war. Hauptdarstellerin in dem Sinn gibt es keine. Neun Darstellerinnen und Darsteller (Fenia Apostolou, Emese Fay, Robert Finster, Patrick Seletzky, Birgit Stöger, Sebastian Thiers, Nanette Waidmann, Pasquale Greco) sprechen mehrere Rollen gleichzeitig. Alle tragen sie das schwarz-weiß gestreifte Fledermaus-Kleid (Kostüm: Epifanios), wobei sich zwei Darsteller als mehr oder weniger Emilie und zwei Darsteller als mehr oder weniger Gustav herausstellen.
Man sitzt hinter den vor sich hin ratternden Nähmaschinen, erzählt in wechselnden Rollen (ein Darsteller hat große Ähnlichkeit mit dem Dichter Peter Altenberg, mit einem Fächer vor der Stirn wird er flugs zu Alma Mahler, was ziemlich lustig ist). Oft wird im Chor gesprochen, einer schmettert angedeutete Opernarien. Warum? Warum nicht.
Weil Wien damals eben nicht nur mondän, sondern auch arm war, eine Stadt der oft aus den Kronländern angereisten Arbeiter und der sogenannten Bettgeher, ist man auch hier auf der Bühne vielsprachig. Einer (die Altenberg-Alma) näselt Hietzingerisch, ein anderer führt das Meidlinger L im Munde. Gustav Klimt hat leichte Mundl-Vibes und somit hat der Klimt-Gustl enden wollendes Interesse an Emilies Paris-Begeisterung, aber in die Oper, immerhin, geht er gern.
Das ist alles nicht zwingend. Manches ist ein bisserl gar zeitgeistig (im Chor sprechen und kein eindeutiges Geschlecht haben). Und doch sehr sympathisch und durchaus sehenswert. Vor allem im Ambiente dieses herrlichen Theaterraumes. Noch bis 18. 11.
KURIER-Wertung: 3 1/2 von 5 Sternen
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