Der Ursprung eines Kunstskandals

A visitor looks at "L'Origine du Monde, 1866" (The Origin of the World) by French artist Gustave Courbet at the Musee d'Orsay in Paris February 7, 2013. An article in French magazine Paris Match published Thursday reports a newly-discovered portrait could be the face of the woman posing in the painting. According to art experts, including a Courbet specialist, this women's portrait could be the top part of the painting which has been on loan since 1995 at the Musee d'Orsay in Paris. REUTERS/Philippe Wojazer (FRANCE - Tags: SOCIETY) TEMPLATE OUT
Ein Experte will das Gesicht zum "Ursprung der Welt" gefunden haben. Was treibt ihn an?

Als Andy Warhol jedem Menschen „15 Minuten Ruhm“ versprach, dachte er wohl nicht an Jene, die ihr Leben damit verbringen, Archive zu durchforsten und Ölbilder unter die Lupe zu nehmen. Doch gerade die eher unglamouröse Spezies der Kunsthistoriker ist nur durch eine dünne Wand von der Welt des Glamours getrennt: Dort gibt es Geheimnisse zu erzählen, Da-Vinci-Codes zu knacken, es duftet nach Sex, Leidenschaft und Geld – versprochen von in Garagen lagernden Jackson-Pollock-Gemälden und geheimnisvollen Mona-Lisa-Funden.

Immer wieder lassen sich Menschen hinreißen, auf die andere Seite der Wand zu treten. Im aktuellen Fall ist es Jean-Jacques Fernier: Der Franzose behauptet, in einem Frauenporträt den zweiten Teil zu Gustave Courbets berühmtem Bild „Der Ursprung der Welt“ (1866) gefunden zu haben.

Ferniers Entdeckung, die die Illustrierte Paris Match verbreitete, fügt der ohnehin schon illustren Geschichte des Bilds saftige Details hinzu: Laut Fernier soll der Maler das delikate Bild aus einem größeren herausgeschnitten haben, um es dem Pariser Kunsthändler Khalil Bey zu verkaufen.

Hinter dem Vorhang

Tatsache ist: Der Mythos des Bildes beruhte in der Folge nur auf Hören-Sagen, denn kaum jemand bekam es je zu Gesicht: Khalil Bey hielt das Bild vor seinen Gästen verborgen. Etliche Umwege und 90 Jahre später kaufte es der Psychoanalytiker Jacques Lacan aus unbekannter Privathand und ließ einen verschiebbaren Doppelrahmen dafür bauen, der vorne ein anderes Gemälde zeigte. Erst mit Lacans Tod 1981 tauchte das Bild wieder auf und wurde im Brooklyn Museum in New York City 1988 erstmals öffentlich präsentiert. Seit 1995 wird es im Musée d’Orsay in Paris ausgestellt. 2008 wurde das Bild im New Yorker Metropolitan Museum gezeigt, war aber nur hinter einem Vorhang zu sehen.

Die Geschichte, die an – tatsächlich erfolgte – Zerschnipselungen diverser Dürer-Zeichnungen erinnert, reiht sich in eine Serie von angeblichen Kunstsensationen jüngerer Zeit ein: In Österreich soll ein in einer oberösterreichischen Garage aufgetauchtes Bild ein verschollenes Werk von Gustav Klimt sein. Klimt-Experten bestreiten das. Das Fresko stamme zwar von einem Klimt – allerdings von Gustavs unbekannterem Bruder Ernst.

Besonders oft wurden zuletzt Sensationen in Italien ausgerufen: Im März 2012 wollten Kunstexperten im Florenzer Palazzo Vecchio auf der Suche nach einem verschollenen Meisterwerk von Leonardo da Vinci einen Durchbruch erzielt haben. Ob es sich tatsächlich um „Die Schlacht von Anghiari“ handelt, ist nicht bestätigt. Im Juli tauchten unbekannte Werke auf, die dem jungen Caravaggio zugeschrieben werden. Der spätere Meister soll sie als Teenager in der Werkstatt des Malers Simone Peterzano angefertigt haben. Kunstexperten zweifeln.

Mona Lisa

Auch an Mona Lisa-Funden herrscht kein Mangel: Im September präsentierte eine Genfer Stiftung ein Gemälde als die „ursprüngliche“ Mona Lisa, die da Vinci noch vor dem weltberühmten Gemälde gemalt haben soll. Eine von vielen: 2009 wurde ein Damenporträt, „La Bella Principessa“ genannt, zum Werk des Renaissance-Genies erklärt. Falschmeldungen, wie sich herausstellte. Im Februar 2012 wurde eine „Mona-Lisa“-Version im Prado von Madrid entdeckt, die zeitgleich mit dem Original in Leonardos Werkstatt entstand.

In der Wissenschaft ist mit solchen Coups nichts zu gewinnen, sagt ein Kurator eines österreichischen Museums. „Diese berühmten Entdeckungen sind wahrscheinlich wie ein Lottogewinn.“

Keinen Lottosechser, aber ein Skelett haben Archäologen nun in Florenz ausgegraben. Sie halten es für jenes von Lisa del Giocondo, die für Mona Lisa Modell gestanden haben soll. Immerhin.

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