Theater für die Ohren

Ein Surround-Sound-Erlebnis: „The Encounter“.
Der gefeierte Brite Simon McBurney gastiert im Juni mit seinem Ein-Personen-Klangkino in Wien.

Gastspiel im Onassis-Kulturzentrum in Athen von "The Encounter" mit dem Briten Simon McBurney und seinem Théâtre de Complicité, laut Guardian "das wichtigste englische Theater der letzten 30 Jahre":

Die Geschichte einer Reise in den Regenwald des Amazonas ist zugleich Theater für Hörer. Denn ein paar Mikros, Kopfhörer, Surround- Sound und tontechnische Tricks machen es möglich: Klangfarbiges Kopfkino.

Inspiriert vom Roman "Amazonas Beaming" des rumänischen Schriftstellers Petru Popescu entstand die One-Performer-Show, die bei den Wiener Festwochen vom 2. bis 5. Juni im MuseumsQuartier zu sehen sein wird.

Sie erzählt die Story des amerikanischen Fotografen Loren McIntyre, der im brasilianischen Urwald auf den Stamm der Mayoruna, die sogenannten Katzenmenschen, trifft.

"Es ist zugleich eine Begegnung mit ihm selbst", sagt McBurney im KURIER-Gespräch. "Er verliert die Orientierung. Das Gefühl für Zeit und Raum. Er muss erkennen, dass Selbstwahrnehmung erst durch eine Entwicklung an einem bestimmten Ort und in einer bestimmten Kultur entsteht. Sie ist nichts von Dauer, nichts Definitives oder Sicheres. "

Was ist Fiktion und was Realität? McBurney, der zuletzt mit Michail Bulgakows Satire auf die Stalin-Ära "The Master and Margarita" (2012) und "A Disappearing Number" (2007) bei den Wiener Festwochen eingeladen war, spricht als McIntyre mit Ami-Akzent und tiefer Stimme. In deutlichem Kontrast dazu akustisch der Erzähler über das Mikro rechts außen.

Ein Kunstkopf steht auf der Bühne: Das binaurale Mikrofon ortet den Schauspieler, wandert mit ihm und sorgt für eine täuschend echte Richtungslokalisation, so dass seine Stimme entfernt oder sehr nah klingt, als flüsterte er einem direkt ins Ohr. Dazwischen hin und wieder ein Switch von der Melodie des Dschungels, einer akustisch eingefangenen Regenwald-Atmosphäre mit surrenden Moskitos und dem Brüllen eines Jaguars, zu herzerwärmenden Dialogen zwischen McBurney und seiner fünfjährigen Tochter, die nicht einschlafen will und durch eine knarzende Tür sein Arbeitszimmer betritt.

"Das Stück ist kein Theater im konventionellen Sinn", stellt McBurney klar. "Hören ist ein kreativer Akt, und so entsteht etwas in den Köpfen der Menschen im Publikum."

Existenzielle Fragen

Die Zeit, sagt der Professor in Oxford, ist auch nur eine Erfindung. Aber wo sind die Quellen der Zeit? Für die Zivilisation ist Zeit eine Obsession. Und die akustische Assoziation eine Frage der Prägung. Denn wer die Augen schließt, sieht zu den Tönen, die sich mit einer Plastik-Wasserflasche erzeugen lassen, vielleicht einen Fluss.

Und was sich wie das Knacken von Brennholz beim Lagerfeuer anhört, ist in Wahrheit das Geräusch eines Sackerls mit Kartoffel-Chips.

Es geht um Bewusstsein und Tod, um Kommunikation ohne Worte, Abstraktion, Raum und Zeit, das Oben und unten. Das Hier und Dort. Und die Frage: Woher wissen Moskitos, wo das Blut ist in der Dunkelheit?

Die Story oszilliert zwischen Traum, Halluzination und Wirklichkeit. Oder ist doch nur alles Illusion? Fiktion eben, oder bloß eine von vielen Wahrheiten. Was ist wirklich und wo das Tor zum Anfang?

"Letztlich ist alles Emotion", ist McBurney überzeugt und hofft, dass das Publikum mit "The Encounter" in rund 130 Minuten nonstop "ein Erlebnis hat und mit vielen Fragen nach Hause geht. Denn die eine Lösung, um sich selbst zu erkennen, gibt es ohnedies nicht. Aber viele Spiegel in der Welt, die reflektieren." Schließlich ist es ein langer Weg, bis der Satz berechtigt ist: "Ich weiß."

"Wir erleben etwas durch Empathie, weil wir fühlen, was jemand anderer fühlt", sagt der Regisseur. "Und ein Kind erfährt die Welt durch Geschichten: In denen fühlt sich diese oder jene Person in einer bestimmten Situation so oder so. Und ich auch."

Kein Entkommen

"Einige von uns sind Freunde ..." dringt’s einige Male tief ins Ohr. Ob Großstädter fernab der Natur oder Urwald-Indianer fernab von westlicher Zivilisation und technischem Fortschritt: Alle sind doch Teil des gleichen Ökosystems, aus dem es kein Entkommen gibt.

"Für uns, die wir auf diesem Planeten zusammen leben, ist die Fähigkeit vielleicht essenziell wichtig, dass wir einander zuhören, um zu überleben", sagt McBurney und lächelt verschmitzt. "Sie können sagen, ich sei ein Scharlatan. Aber ich habe eine interessante Geschichte."

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