The Prodigy: Die Kreaturen der Nacht spritzen wieder Gift

The Prodigy: Die Kreaturen der Nacht spritzen wieder Gift
Liam Howlett und Keith Flint (Bild) von The Prodigy über David Guetta, den Fuchs unterm Auto und Provokation.

Ich wollte einen Gift spritzenden Text für einen brachialen Song. Ansonsten geht mir die DJ-Szene am Arsch vorbei!" Liam Howlett, der Beat-Bastler und Songwriter von The Prodigy, sitzt im Soho-House-Hotel in Berlin und bemüht sich redlich – aber vergeblich – um emotionale Distanz. Im Interview mit dem KURIER ist das Gespräch auf den Song "Ibiza" gekommen, einer der Tracks des neuen Albums "The Day Is My Enemy".

"Der Auslöser dafür war, dass wir auf Ibiza gespielt haben", hat er gerade erklärt. "Da habe ich mit eigenen Augen gesehen, wie DJs im Privatjet ankommen, mit einem USB-Stick auf die Bühne gehen, den einstecken und dann so tun, als würden sie auf der Bühne Regler bedienen. Diese Faulheit macht mich rasend!"

Gefragt, warum ihn das kümmert, wenn The Prodigy doch immer ganz bewusst außerhalb des Mainstreams agierten, markiert er jetzt Gleichgültigkeit. Und kichert gleich drauf wieder schadenfroh über die David-Guetta-Parodie, die jüngst in "Saturday Night Live" genau diese Faulheit anprangerte.

Enttäuscht

"Wir kommen aus der DJ-Szene. Aber die war damals viel kreativer", erklärt er. "Heute ist EDM schon so leicht zu produzieren. Jeder kann sich Sound- und Beat-Pakete runterladen und loslegen. Was mich enttäuscht, ist der Mangel an Anstrengung, etwas Originelleres zu schaffen."

Auch Sänger Keith Flint lässt dieses Thema alles andere als kalt: "Da denkt man schon, verdammt, ihr seid nur aufgrund dessen hier, was wir begonnen haben. Könnt ihr nicht ein bisschen mehr Künstler sein als Star? Wenigstens einen Funken Substanz liefern?"

Howlett und Flint – Maxim Reality ist nicht nach Berlin gekommen – sind sich einig: Der aggressive, wütende, an Hits wie "Firestarter" und "Breathe" anschließende Sound von "The Day Is My Enemy" ist eine Reaktion auf diese Szene – ein bewusstes Abgrenzen vom Kommerz.

Der Weg dahin begann 2012, war einmal mehr steinig. Das fertige Album "How To Steal A Jetfighter" warfen The Prodigy Anfang 2014 wieder in den Müll. Dann hatte zwei Mal hintereinander das Tonstudio Probleme mit Wassereinbrüchen. Dazu kam die Band-Beziehung, die die Aufnahmen "manchmal mühsam und manchmal zum Vergnügen" machte.

Provozierend

"Mühsam", erklärt Flint, "weil ich Liam in Bezug auf die Songs gern provoziere und herausfordere. Aber wenn man so lange arbeitet wie wir, ist das wichtig, um kreativ weiter zu kommen. Ich habe mich dabei voll auf unsere Freundschaft verlassen. Ich wusste, dass die stabil und unantastbar ist, dass uns beiden klar ist, dass es dabei nur um Berufliches geht."

Trotzdem kam alles erst ins Rollen, als Howlett begann, in der Nacht zu arbeiten. Denn die – der Familie wegen entwickelte – Tages-Routine fühlte sich irgendwann wie ein Tages-Job an: "The Prodigy waren immer schon Kreaturen der Nacht – unsere Musik lebt in der Nacht, die Leute nehmen in der Nacht dazu Drogen. Und tatsächlich konnte ich in der Nacht dann auf einmal alles vollenden, wo ich vorher nicht weitergekommen bin. Ich hab dann zwar immer an Beats gedacht, wenn ich mit meiner Frau essen war. Aber das hat sie mir verziehen."

Auf die Idee, das Album "The Day Is My Enemy" zu nennen, kam Howlett um vier Uhr in der Früh: "Ich ging vom Studio weg und sah einen Fuchs weglaufen, der unter meinem Auto geschlafen hatte. Auf der Heimfahrt dachte ich – ein bisschen benebelt, wie man um diese Tageszeit halt ist – ,Dieser Fuchs ist wie wir: Der hat auch den Tag zum Feind!’"

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