"The Other Is Oneself": Flüchtlingshilfe im poetischen Gewand
Wenn der Begriff „Charity“ einen schalen Beigeschmack hat, dann wohl deshalb, weil er ein Machtgefälle bezeichnet: Auf der einen Seite stehen die Wohltäter, auf der anderen die Empfänger und Bittsteller. Dieses Arrangement verlockt dazu, jene, die oben stehen, vom Podest zu stoßen, weswegen Wohltuende gern belächelt (Stichwort „Charity-Lady“) oder mit dem Argument kleingeredet werden, sie würden ja nur ihr Gewissen beruhigen wollen.
Was aber, wenn man das Verhältnis anders denkt? In dem Sinn, dass jede Aktion gegenüber anderen – Wertschätzung, Gastfreundschaft, aber auch Ablehnung – direkt auf einen selbst zurückwirkt?
In diesem Geist ist die Aktion „The Other Is Oneself“ („Die anderen sind wir selbst“) gebaut, die der in Niederösterreich lebende Künstler Sébastien de Ganay angestoßen hat. Motiviert durch das Gefühl, den Syrienkrieg und den globalen Populismus nicht ignorieren zu können, setzte der gut vernetzte Bildhauer und Maler Hebel in Bewegung, um eine Ausstellung, eine Filmreihe, ein Buch, eine Konferenz und eine Auktion zugunsten von Flüchtlingsprojekten des Hilfswerk Austria ins Leben zu rufen.
Poetisch engagiert
Dass das Projekt übliche Charity-Parameter unterwandert, ist nicht zuletzt der zentralen Ausstellung anzusehen, die bis 14. Dezember im Kunstraum Franz Josefs Kai 3 zu besuchen ist. In einer poetischen, subtilen Weise versuchte Kuratorin Fiona Liewehr, das eingangs skizzierte Prinzip der Gegenseitigkeit zu fassen. In dem von zwei Seiten betretbaren Ausstellungsraum sind zahlreiche Werke untergebracht, die aufeinander Bezug nehmen.
Oft tritt dabei die Wechselbeziehung zwischen einer Positiv- und einer Negativform hervor: Die Wörter „Hope/Fear“ (Hoffnung/Angst) bilden bei Raffaella della Olga ein Schachbrettmuster, umgedrehte Basketbälle werden bei Martin Walde zu Taschen. Um zwei Standbilder aus Nordirland, die einander die Hände reichen, sich aber nicht berühren, kreist die zentrale Installation: Der syrische Künstler Khaled Barakeh hat den Raum zwischen den Händen der Figuren vermessen und mittels 3-D-Drucker in eine Skulptur verwandelt.
Drastische Hilfsappelle oder zur Schau gestelltes Elend wird man in der Schau vergeblich suchen. Doch gerade weil die Kunst mit den ihr eigenen formalen Mitteln operiert, wirkt sie glaubwürdig: Sie tut nicht so, als sei sie beim Weltverändern privilegiert, tritt aber selbstbewusst auf und weigert sich zu schweigen. Die meisten Werke sind in einer Auktion (22. 11., Dorotheum) zu erwerben.
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