The King: Vor 40 Jahren starb Elvis Presley
Ein junger Bub vom Land geht mit seinem ersparten Geld in ein Aufnahmestudio, um seiner Mama eine selbst besungene Platte schenken zu können. Zufällig wird er dabei entdeckt, bald darauf zum Superstar und legendenumwobenen „King of Rock ’n’ Roll“. So die Geschichte. Die ist gut. Und gut erfunden.
Tatsächlich gab es nichts, was sich Elvis Aaron Presley sehnlicher wünschte, als entdeckt zu werden. Seit seinen frühen Teenagerjahren nahm er erfolglos an Talente-Shows teil. Sein Taschengeld gab er nicht für Mama, sondern in der Hoffnung auf einen Vertrag aus. Der Plan des 18-Jährigen ging allerdings nicht auf. Zumindest nicht auf Anhieb. Niemand drückte ihm einen Plattenvertrag in die Hand. Presley versuchte es daraufhin beim Casting für ein Vokal-Quartett. „Sie meinten, ich könne keine Harmonien singen“, erklärte er später die Absage. Schließlich wurde er Lkw-Fahrer. Ein weiteres Vorsingen endete mit folgendem Rat des Bandleaders: „Bleib beim Lastwagenfahren. Denn als Sänger wirst du es nie schaffen.“
Ein Jahr nach seiner ersten Aufnahme sang er noch zwei Songs in dem Plattenstudio in Memphis ein. Wieder kein Hit, aber irgendetwas in dem hartnäckigen Jungen mit der schwarzen Haartolle und dem dicken Hinterwäldler-Dialekt schien Plattenboss Sam Phillips dann doch zu beeindrucken. Vielleicht die Tatsache, dass er wilder, ungehobelter war als die geleckten jungen Männer, die damals mit ihrem Country-Pop die Charts beherrschten. Phillips gab Presley eine dritte Chance, übernahm diesmal die Kosten, und ließ ihn noch einmal ins Studio. Aber bei keinem der von Phillips ausgewählten Songs, kam der junge Mann richtig auf Touren. Erst als Presley selbst einen alten Blueshadern anstimmte, riss seine ekstatische Performance Studiomusiker und Plattenboss gleichermaßen mit. Und mit „That’s All Right“ entstand am 5. Juli 1954 die Single, die Elvis’ Leben – und die gesamte Musikwelt – für immer verändern sollte.
„Vor Elvis war GAR NICHTS. Er war meine Religion – und ohne ihn wäre ich nicht da, wo ich jetzt bin“, sagte Ober-Beatle John Lennon zehn Jahre später in einem Interview. „Ihr könnt fragen, wen ihr wollt: Ohne Elvis gäbe es Popmusik, wie wir sie kennen, heute nicht“, setzte Elton John in den 70ern nach. – „Ich war nicht nur ein Fan, ich war sein Bruder. Einen wie ihn wird es nie wieder geben“, sagte James Brown. Und nahm damit auch der Kritik, Presley habe die Musik der Schwarzen gestohlen, indem er ihren R ’n’ B mit dem weißen Country vermischte, den Wind aus den Segeln. Elvis selbst betonte immer, dass er nichts von dem, was er tue, erfunden habe: „Rock ’n’ Roll gab es schon lange vor mir – und niemand kann ihn so singen wie die Schwarzen. Ich kann nicht so singen wie Fats Domino.“
Wie konnte ein Mann wie er ein derart tragisches Ende als paranoide, übergewichtige Karikatur seiner selbst finden? Vielleicht liegt die Antwort gerade im mühsamen Beginn seiner Karriere. Denn im Gegensatz zum von seinem Manager „Colonel“ Tom Parker gestreuten Mythos eines gottgewollten Zufalls, war Elvis Presley ein Mann, der besessen von seinem Traum war – und etliche Niederlagen einstecken musste, bevor dieser in Erfüllung ging. Der Angst hatte, alles wieder zu verlieren – und umso leichter lenkbar war.
Parker bestimmte, was er singen sollte, vor allem machte er aus dem begnadeten Musiker einen Filmstar. Schlechte Rollen, schlechte Plots, aber egal, die Kohle stimmte – eine Million Dollar Gage pro Streifen, Parker kassierte im Gegensatz zu den sonst üblichen 15 satte 50 Prozent. Und so drehte Elvis „die 31 schlechtesten Filme aller Zeiten“, wie Kulturjournalist Joe Queenan es drastisch beschrieb. Presley war nicht dumm, er wusste um die miese Qualität der Filme, hasste viele der Songs, die er singen musste. Er beneidete und fürchtete Bands wie die Beatles ...
Nur einmal setzte sich Presley gegen Manager Parker durch. Der wollte ihn für sein TV-Comeback im Dezember 1968 als Weihnachtsmann verkleiden und alte Schnulzenklassiker singen lassen. Presley entschied sich für schwarzes Leder und eine mitreißende Live-Show. „Ich will, dass die Leute wissen, was ich WIRKLICH kann“, sagte er und war vor der Aufnahme unglaublich nervös, wie Augenzeugen berichteten. Er lieferte eine der besten Performances seiner Karriere ab. Danach ging es, aus welchen Gründen auch immer, wieder zurück in die Arme seiner strengen Vaterfigur Parker. Nach Hawaii, nach Las Vegas. Und steil bergab.
(2010, Remix)
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