KURIER: Welche Erinnerungen kommen hoch, wenn Sie diesen Film wieder sehen?
Terry Gilliam: Dass der Dreh ein Albtraum war. Wir hatten 23,5 Millionen Dollar von Columbia Pictures zugesagt bekommen. Dann bereitete ich den Film vor, zeichnete das Storyboard, und der Buchhalter vom Studio meinte, der Film kostet mindestens 60 Millionen. Er wurde gefeuert. Der nächste sagte, der Film kostet 40 Millionen. Der wurde ebenfalls gefeuert. Dann haben wir einen Buchhalter gefunden, der gesagt hat, der Film kostet 23,5 Millionen.
Oh, was für ein Zufall!
Ja, und dann begannen die Dreharbeiten. Nach der sechsten Woche kam die Versicherungsgesellschaft und sperrte uns zu. Sie sagten: „Der Baron kann nicht auf den Mond fliegen.“ Denn wir hatten das in unser Drehbuch geschrieben als eine Szene mit 2.000 Statisten, die alle in der Mondfinsternis ihre Köpfe verlieren und von ihren Körpern abgetrennt sind. Und der Mondkönig war Sean Connery. Nachdem sie mir erklärt hatten, dass der Baron nicht auf den Mond fliegen kann, wurde ich unangenehm. Dann strich ich die Szene auf zwei Statisten zusammen, aber Sean Connery meinte: „Ein König von zwei Untertanen ist nicht sehr wichtig.“, und kündigte. Zum Glück war Robin Williams interessiert. Er hat den Film gerettet.
Bekamen Sie seinetwegen mehr Budget?
Nein. Das nächste Problem war, dass Dante Ferretti wunderbare Zeichnungen für die Kulissen dieser Szene gemalt hatte, wir aber kein Geld hatten, sie zu bauen. Also habe ich die Zeichnungen endlos vergrößern lassen, wir klebten sie auf Spanplatten und färbten sie mit Filzstiften ein, klebten Räder unten an, und so konnten wir sie herumschieben. Und im Grunde war das sogar besser, denn der Mond war auf einmal eine sehr surreale Sache. Und Robin war brillant, er war damals 32 oder 34. Valentina Cortese, die seine Frau spielte, war 72, es war eine wundervolle Ehe. Aber die Versicherungsgesellschaft wurde immer verrückter. Die drohten mit einer Klage wegen Betrugs und wollten mir mein Haus wegnehmen, obwohl meine Frau mit unserem dritten Kind schwanger war.
Und wie ging es weiter?
Dann flogen wir nach Spanien in einem Privatjet. Wir hatten allen gesagt, dass sie nur ein Gepäckstück mitnehmen dürfen, weil sonst kein Platz ist. Ich steige ein, und da sind nichts als Koffer. Als wir abhoben, sah die Kisten mit all den Kostümen am Runway. Die konnten wir auch am nächsten Tag nicht kriegen, weil in Spanien ein Streik der Zollbeamten war. Alles, was wir hatten, waren 300 türkische Armee-Uniformen für die Schlachtszene, die wir vier Wochen später drehen wollten. Über Nacht organisierte ich 300 Statisten und wir filmten das am nächsten Tag. Der ganze Dreh war nichts als verrückt.
Mit Robin Williams verband Sie eine lange Freundschaft?
Ja, er war ein toller Mensch. Normalerweise will ich, dass sich die Schauspieler an den Text halten, den ich schreibe, aber Robin war außergewöhnlich. Und großartig im Improvisieren. Danach arbeitete ich mit ihm in „Fisher King“. Da wollte ich unbedingt Jeff Bridges, denn der erdete uns. Robin und ich waren in eigenen Sphären. Das ist das Schöne an meinem Job: Ich habe die Chance, mit Genies zu arbeiten. Aber ich habe nie wieder jemanden getroffen, der so einzigartig war wie Robin.
Man glaubt kaum, dass Sie Schwierigkeiten hatten, einen Film zu finanzieren.
Die meisten Filmemacher sind nicht so verrückt wie ich und gelten nicht als so schwierig in diesem kleinen Hollywood, das aus 5.000 Leuten besteht, die alle zufällig immer zur selben Zeit die gleiche Idee haben. Ich bin der Irre, der die gegenteilige Idee hat, und damit mache ich mir das Leben schwer. Ich habe beschlossen, dass ich der bin, der all die Filme macht, die sonst keiner will.
Es geht immer um Leidenschaft und Enthusiasmus. Arbeiten Sie derzeit an etwas Neuem?
Ich arbeite immer an etwas Neuem, um mich vom Leben abzulenken. Ich habe ein Drehbuch über die Welt, in der wir derzeit leben, die ich für absurd halte. Die Geschichte ist, dass Gott entschieden hat, die Menschheit aus dem schönen Garten zu eliminieren, den sie komplett ruiniert hat. Der Einzige, der die Menschheit retten will, ist Satan. Ohne die Menschheit hat er keinen Job. Mal sehen, ob sie das finanzieren.
Wie ist Ihr Verhältnis zur Filmindustrie heute?
Ich war schon lange nicht mehr im Kino, die besten Filme sind auf Streaming-Plattformen, und die meisten haben keine großen Stars. Streaming hat ihnen und den Autoren und Regisseuren eine gute Plattform gegeben. Das ist nicht schlecht. Aber leider erlaubte Netflix Martin Scorsese, Alejandro Iñárritu und ein paar anderen, dreieinhalbstündige Filme zu machen. Ich sah „Bardo“, Iñárritus Film. Er ist die ersten 30 bis 40 Minuten exzellent, aber dann zieht es sich und wird leider entsetzlich langweilig.
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