Taraji P. Henson über "Hidden Figures": "Sie gab nie auf"

Drei schwarze Frauen in der Domäne der weißen Männer: Taraji P. Henson (Mitte), Janelle Monáe (links) und Octavia Spencer in „Hidden Figures“
Aus "Empire" bekannte Schauspielerin spielt in "Hidden Figures" eine NASA-Pionierin

"Hidden Figures" (derzeit im Kino) schildert eine wahre Begebenheit: von drei Mathematikerinnen, die zu Beginn des amerikanischen Raumfahrtsprogramms einen Beitrag von entscheidender Bedeutung leisteten. Ihre Arbeit und Mitwirkung sind weithin unbekannt. Denn Frauen – vor allem farbige – wurden schon immer gern aus der Geschichte geschrieben. Dabei wären ohne sie die Star-Astronauten Alan Shepard und John Glenn nie in die Luft gegangen. Oder nie zurückgekehrt.

Hollywood liebt es, solche Storys zu finden. Und so wurde Katherine G. Johnson, Dorothy Vaughan und Mary Jackson doch noch die Ehre zuteil, die sie schon vor Jahrzehnten verdient hätten, im Fall der letzten beiden leider posthum.

Johnson wird im August ihren 99. Geburtstag feiern. Vor zwei Jahren wurde sie von Präsident Obama mit der höchsten zivilen Auszeichnung, der Presidential Medal of Freedom geehrt. Im Film wird sie von Taraji P. Henson gespielt, die TV-Fans als Cookie Lyon aus der Serie "Empire" bekannt ist. Frisch erblondet (für die Serie), spricht die quirlige Schauspielerin über Gleichungen und Gleichheit:

KURIER: Eine der stärksten Szenen in "Hidden Figures" ist, wenn Sie in den Sitzungssaal der NASA kommen, den Männern Mathematik erklären und eine Lösung präsentieren, nach der alle monatelang gesucht hatten. Hatten Sie jemals so einen Aha-Moment in Ihrer Karriere als Schauspielerin?

Taraji P. Henson: Dieser Film hat mich gelehrt, dass dir niemand dein Talent und deinen Traum nehmen kann. Ganz gleich, wie lang es dauert, ganz gleich, wie viele Türen sich schließen, ganz gleich wie oft du das Wort nein hörst. Johnson war schon als Kind ein Mathematikgenie, aber welche Chancen hatte sie Anfang der 60er-Jahre als Frau? Und schlimmer: als farbige Frau? Aber sie gab nie auf. Und sie war bereit für die erste Chance, die sich ihr bot. Ich musste nicht so kämpfen, aber einfach hatte ich es auch nicht als schwarze Schauspielerin. Aber hier bin ich, Golden-Globe-Gewinnerin! Ich dachte, ich werfe das mal so in den Raum! (lacht)

Und Sie waren natürlich ein Mathe-Ass, richtig?

Auf die Frage habe ich gewartet. (lacht) Nein, ich habe kein Talent für Mathematik, und die Sprache war schwierig zu lernen, ich hatte die Fachausdrücke aus der Schule längst verdrängt. Aber ich verstehe analytisches Denken. Für die mathematischen Formeln hatte ich einen Fachmann, der sie mir gut genug erklärte, dass ich sie visualisieren konnte. Und das reicht mir als Schauspieler, um den Text glaubwürdig rüberzubringen.

Was sagt es über eine Gesellschaft aus, wenn die Talente von Minderheiten unterdrückt werden, weil sie keine Chance bekommen, sie überhaupt zu erkennen?

Es ist eine Schande in den USA, dass wir als Frauen, als Farbige, als Minderheiten, aber auch als Männer, die nicht aus wohlhabenden Familien kommen, noch immer um so vieles kämpfen müssen, vor allem um gute Schulbildung. Es ist unverzeihlich, dass Bildung in Amerika so viel kostet. Man kann keine Möglichkeiten nützen, wenn einem keine eröffnet werden.

Kannten Sie die Geschichte, bevor Sie den Film machten?

Nein, ich wusste ja nicht einmal, dass es überhaupt Frauen gab, die bei der NASA angestellt waren. Alle Frauen, ganz gleich ob schwarz oder weiß, wurden hier ausradiert, und das machte mich richtig zornig. Aber so waren die Zeiten damals. Und dann war ich stolz, dass wir diese Frauen mit dem Film vor den Vorhang bringen. Besonders Katherine Johnson, die ein wahres Genie ist.

Wie war es, sie zu treffen?

Ich war berührt von ihrer Bescheidenheit. Diese Frau ist dafür verantwortlich, dass zwei Apollo-Flüge ohne Probleme stattfinden konnten. Ich schaute ihr in die Augen und fragte mich, ob ihr überhaupt klar ist, dass das ohne sie nie passiert wäre. Sie betrachtete das alles nur als ihren Job. Das ist eine wahre Heldin.

Katherine Johnson war eine Frau in einer Männerwelt. Wie viel hat sich geändert?

Nicht genug! So wie es immer noch Rassismus gibt, existiert auch Sexismus ganz stark. Aber ich werde nie aufgeben, das zu bekämpfen.

Sehen Sie die Veränderung in Hollywood?

Ja, und zwar weil wir Frauen nicht mehr den Mund halten. Und auf einmal haben wir bei "Empire" zur Hälfte weibliche Regisseure. Bei "Hidden Figures" stand hinter der Kamera kein Mann, sondern eine Frau. Keiner konnte es glauben. Aber erst, wenn das zur Selbstverständlichkeit wird, ist die Veränderung da.

Keine Computer, sondern Frauen mit Bleistift, Papier und einfachen Rechenmaschinen werteten vor mehr als 70 Jahren für die US-Weltraumbehörde NASA Flugschreiber aus. Und berechneten die Daten von Windkanalexperimenten und Flugkurven.

Unter ihnen war auch eine Gruppe hoch qualifizierter Afroamerikanerinnen – von denen kaum jemand wusste. Sie mussten im Verborgenen arbeiten, separate Toiletten und Pausenräume benutzen. Erst in den 1950er-Jahren wurden sie mit ihren weißen Kolleginnen zusammengelegt. In den USA ist die Geschichte der NASA-Mathematikerinnen kürzlich in Buchform erschienen ("Hidden Girls") und soll Ende des Jahres ins Kino kommen.

Eines dieser "versteckten Mädchen" war Katherine Johnson. Sie schoss 1961 den ersten US-Amerikaner, Alan Shepard, ins All, half ein Jahr später John Glenn, als er die Erde mit einem Raumschiff umkreiste. Und berechnete die korrekte Umlaufbahn für die Apollo-11-Raumfahrtmission – Neil Armstrong hätte ohne sie keinen Fuß auf den Mond gesetzt.

Ausnahmetalent

Johnson, geboren 1918 in West Virginia, war schon als Kind ein Ausnahmetalent. Lesen, Schreiben und Rechnen konnte das Jüngste von vier Kindern bereits vor der Schule. Und das in einer Zeit, in der schwarze Kinder in vielen Bundesstaaten keine Schulen besuchen durften. Ihre Eltern zogen deshalb 200 Kilometer weiter, damit ihr Mädchen in eine afroamerikanische Highschool gehen konnte. Dort übersprang sie mehrere Klassen, mit 14 hatte sie ihren Abschluss und mit 18 ein Mathematik-Diplom in der Tasche. Obwohl sie lieber in die Forschung gegangen wäre, musste sie vorerst als Lehrerin arbeiten.

Die Wende kam 1941, als Präsident Roosevelt die Benachteiligung Schwarzer in der Luftfahrt- und Kriegsindustrie aufhob. Daraufhin engagierte das Langley Forschungslabor der "Naca" – die Vorgängerorganisation der NASA – eine Gruppe schwarzer Frauen. Auch Johnson gehörte ab 1943 zum Zirkel der Top-Wissenschaftlerinnen – die sich dennoch der Rassentrennung fügen mussten.

Trotz aller Probleme habe sie sich nie minderwertig gefühlt, erzählte sie rückblickend: "Ihr seid so gut wie jeder andere in dieser Stadt, aber ihr seid auch nichts Besseres" – das habe ihr der Vater einst mitgegeben. Fachlich gesehen war Johnson tatsächlich besser. Wenn nicht sogar die Beste. Eine Zahlenkünstlerin, die sich durch ihre Kenntnisse in analytischer Geometrie unentbehrlich machte. Ohne sie wäre die NASA nicht so schnell ins All gekommen.Da sie von ihren weißen Kollegen "ausgeliehen" werden konnte, gelangte sie in die Abteilung für Flugforschung. Dort stellte sie Fragen, wollte Hintergründe wissen und besuchte die Briefings, an denen nur Männer teilnahmen. Ihre Expertise war gefragt, ihre ständige Präsenz akzeptiert. Die junge Forscherin schrieb mit ihren männlichen Kollegen eines der ersten Fachbücher für Weltraumfahrt – die theoretische Grundlage für die erste bemannte Mission. Alan Shepard gelangte dank ihrer Berechnungen ins All. Ein Jahr später bat John Glenn sie, die Umlaufbahn seines Fluges zu prüfen. Er vertraute den Computern nicht. Als sie vergangenes Jahr von Präsident Barack Obama geehrt wurde, erzählte die 98-Jährige, was sie Glenn damals gesagt hatte: "Lass mich das machen. Du sagst mir, wann und wo es landen soll – und ich sage dir, wann du starten musst."

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