Tagträumer-Sänger: "Wir haben uns in der Band angezickt"

Wieder vereint: Tagträumer gehen im September auf Tour
Die österreichische Pop-Rock-Band meldet sich mit dem Album „Tiger im Park“ zurück. Sänger Tom Schneider im Interview über Depressionen, Fans und interne Konflikte.

„Greif, nach den Sternen, sooft du kannst. Du wirst überrascht sein, wie oft du einen erwischen wirst.“ Dieser Satz aus dem Buch „Why Not?“ von Lars Amend war für Tom Schneider, den Sänger der Band Tagträumer, der Schlüssel dazu, seine Depressionen überwinden zu können. In dem Song „Alles wieder wie es war“ vom nach sechs Jahren Pause veröffentlichten Album „Tiger im Park“ beschreibt er diesen Moment.

„Es war wahrscheinlich eine klassische Burn-out-Depression“, erzählt Schneider im KURIER-Interview. „Ich habe schon viele Monate bevor ich unserem Manager sagte, dass ich eine Pause brauche, gemerkt: In der Früh geht es mir extrem schlecht und am Abend geht es mir extrem schlecht. Und dazwischen konnte ich nichts, außer etwas anschauen oder Computerspiele spielen.“

Verwunderlich war das nicht: Die Pop-Rock-Band hatte 2015 und 2017 mit ihren ersten beiden Alben Platz fünf, respektive Platz drei der österreichischen Charts erobert, und war wegen des Erfolges bis Ende 2018 ständig auf Tour gewesen. Als Frontmann blieben viele Aufgaben an Schneider hängen. Er gab die meisten Interviews, schrieb die meisten Songs und wurde auch privat von jungen, meist weiblichen Fans belagert, die zum Beispiel bei einem Hochwasser in seinem Ort sein unter Wasser stehendes Auto fotografierten und das im Internet posteten. 

„Da dachte ich schon, das muss nicht sein“, sagt er. „Aber das waren Einzelfälle. Außerdem lieben wir den Kontakt mit den Fans: Wir gehen nach jedem Konzert zum Merchandising-Stand und machen dort oft zwei Stunden Fotos mit ihnen. Ich bin halt der Frontmann, da ist das eben so, dass man viel arbeitet. Aber viel eher als das, war der Grund für die Depressionen, dass wir uns in der Band angezickt haben.“

Das Hauptproblem dabei kann Schneider heute nicht mehr benennen. Es lag an vielen Kleinigkeiten, sagt er, gibt aber zu, dass das Schwierigste sein Verhältnis zu Gitarrist Kevin Lehr war. Deshalb herrschte zwischen den beiden auch sehr lange Funkstille, als sich Tagträumer Ende 2018 in die Pause verabschiedeten. So lange, bis der Tontechniker der Band vor ein paar Jahren beide zu seiner Geburtstagsfeier in Lignano einlud.

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Bianco Spritz

„Das Wiedersehen mit Kevin war gar nicht komisch oder peinlich“, sagt Schneider. „Wir sind nach der Geburtstagsfeier zum Strand gegangen, haben Bianco Spritz getrunken, geredet und einander Songs vorgespielt, die wir in der Zwischenzeit gemacht haben. Da wurde uns klar, dass wir Tagträumer wiederbeleben wollen.“

Wie konnten die beiden das persönliche Problem lösen? Ging es dabei gar nicht darum, dass Lehr eifersüchtig auf den fast alle Songs schreibenden Frontmann war? „Schwierige Frage“, sagt Schneider. „Kevin arbeitet jetzt als Produzent in Berlin, hat mit Isaaks ,Always On The Run‘ Deutschlands ESC-Beitrag 2024 produziert. Ich glaube, dadurch ist ihm jetzt klar, dass oft Songs aus einem rauskommen, wenn der andere gerade nicht dabei ist, dass es keinen Sinn machen würde, dann zu sagen, jetzt hör ich auf und warte, bis Kevin dabei ist. Aber ein Tagträumer-Song ist es für mich nur, wenn Kevins Gitarre drauf ist.“

Die Gitarren dürfen auf „Tiger im Park“ wieder rauer klingen als beim zweiten Album. Schneider singt über die Liebe, die Depression, hat mit „Mama“ aber auch dankend seine alleinerziehende Mutter verewigt. Sie hatte große Probleme mit dem Filius, der rebellierte, von der Schule flog und schließlich im Heilpädagogischen Zentrum von Rust landete. Live hören, kann man das Comeback-Album von Tagträumer leider erst im September, wenn Schneider, Lehr und Schlagzeuger Tobias Fellinger auf Österreich-Tournee gehen.

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