"Stranger Things"-Star Winona Ryder: „Mich zu googlen macht mir Angst“
Winona Ryder spricht im KURIER-Interview über ihre außergewöhnliche Kindheit, über ihre Dankbarkeit, die sie der Sängerin Cher entgegenbringt, über Film, Keanu Reeves und, kurz, über Johnny Depp.
Aus den 1990ern ist Winona Ryder, geborene Winona Laura Horowitz, nicht wegzudenken. Sie gab Teeniefilmen wie „Heathers“ und „Reality Bites“ Tiefe, erinnerte Tim Burton, mit dem sie „Edward mit den Scherenhänden“ drehte, an „zeitlose Filmstars der goldenen Hollywoodjahre“ und zwängte sich in Historienfilmen wie „Bram Stokers Dracula“ oder „Zeit der Unschuld“ in Korsette.
Sie war das It-Girl dieser Ära, und dass sie privat mit Johnny Depp und Matt Damon liiert war, machte sie noch cooler.
Dann kam der Film „Durchgeknallt“ (1999), und alle sprachen nur noch über Angelina Jolie, die für ihre Nebenrolle einen Oscar gewann. Nach einer Serie von Flops wurde Ryder wegen Ladendiebstahls verhaftet und galt in der Filmindustrie als Kleptomanin. Ihre Karriere schien zu Ende.
Sie kehrte erst nach neun Jahren wieder, als J.J. Abrams ihr die Rolle als Spocks Mutter in „Star Trek“ gab. Ein Jahr später spielte sie die alternde Ballerina in „Black Swan“ spielte und bewies, dass es ein Leben nach Skandalen gibt.
Seriendebüt
Ryder ist ein wandelndes Film- und Literaturlexikon und verweist gern auf ihre Inspirationen für Rollen. „Stranger Things“ ist ihre erste TV-Serie.
KURIER: Sie spielen eine Mutter, die ihr Leben mit all diesen Kindern allein meistert. Gab es dafür eine Vorlage?
Winona Ryder: Ich habe gleich zu Beginn gesagt, dass ich ein Fan der Marsha Mason-Filme der 1980er Jahre bin, dass ich „Alice Lebt Hier Nicht Mehr“ liebe, in dem Ellen Burstyn eine Single-Mutter spielt, und ich sagte, dass ich meine Rolle als Hommage an diese Filme sehe. Joyce, die Frau, die ich spiele, ist auch eine sehr gute Detektivin und meine Inspiration dafür kam von Jerry Orbach als Detective Briscoe in „Law & Order“. Ja, ich liebe diese Serie! Es tut mir leid, dass ich über die Show nicht viel sagen kann, oder besser gesagt: darf. Ich war noch nie in etwas, das so viele Spoiler hat.
Wie ist der Ruhm, den eine Kultserie mit sich bringt nach all den Jahren, in denen Sie sehr zurückgezogen lebten?
Den meisten Ruhm bekommen die Kids, und ich bin sehr erstaunt wie Millie Bobby Brown und Noah Schnapp das meistern. Es ist nicht gerade leichter geworden seit der Zeit, in der ich jung und berühmt war. Es gab kein Internet, keine Handys. Das Wort „Selfie“ existierte nicht. Ich werde sehr nostalgisch und sentimental, wenn ich über die guten, alten Zeiten spreche, in denen Menschen noch Konversation machten. Es ist auch interessant wie sehr sich der Ruhm, den das Fernsehen mit sich bringt, von dem des Films unterscheidet. Du bist in den Wohnzimmern der Leute, daher glauben sie, du bist ein Mitglied ihrer Familie. Und so behandeln sie dich auch. Da gibt es keine Hemmschwelle, sie kommen auf dich zu und reden mit dir. Als Filmstar wirst du leichter aus einer gewissen Ferne angehimmelt.
Lesen Sie Kritiken?
Nein, außer meine Eltern schicken mir welche. Meine Eltern sind mein Filter, die sammeln alles und entscheiden dann, was sie mir weiterleiten. Ich kann mich nicht selbst googeln, das macht mir Angst. Ich bin auch nicht auf Social Media.
Die dritte Staffel von „Stranger Things“ trägt den Untertitel „Summer of Love“. Nachdem Sie nichts über die Story verraten dürfen, können Sie uns sagen, was Sie mit dem Begriff „Summer of Love“ verbinden?
Mich erinnert es an meine Eltern in den späten 1960er Jahren. Das war der Summer of Love. Und an den Sommer, in dem ich zum ersten Mal Biben küsste und Sheena Eastons „For Your Eyes Only“ drehte sich auf dem Plattenteller.
Sie sind sehr ungewöhnlich aufgewachsen, nicht wahr?
Meine Eltern waren intellektuelle Hippies. Ich durfte alles, und ich wurde zu Hause unterrichtet. Bei uns gingen Intellektuelle wie Alan Ginsburg und Lawrence Ferlinghetti ein und aus. Es ist bekannt, dass Timothy Leary mein Taufpate ist. Ein paar Jahre lang lebten wir auf einer Farm ohne Fließwasser und Elektrizität, obwohl meine Mutter den Heustadl verkabelte, um dort Filmabende zu veranstalten.
Dadurch lernten Sie Filme lieben?
Meine Liebe fürs Schauspiel begann mit einem John Cassavetes-Film, nicht unbedingt das Richtige für eine Zehnjährige, aber wie Sie richtig sagten, ich hatte eine ungewöhnliche Kindheit. Nacktheit, freie Liebe und Dragqueens waren nichts Besonderes für mich. Was Filme betrifft, habe ich wohl alles ein wenig zu jung gesehen: „Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs“ oder „Wenn die Gondeln Trauer tragen“. Das ist einer der angsterregendsten Filme, die ich je gesehen habe. Das und „The Shining“. Ich reagiere sehr stark auf alles, was mich wirklich umhaut. In der Musik war es Leonard Cohen, als ich ihn zum ersten Mal hörte.
Ihr Lieblingsautor ist J.D. Salinger. Warum?
Ich habe natürlich „Der Fänger im Roggen“ als Teenager gelesen, und es war mein Lieblingsmonolog aus „Franny & Zooey“, mit dem meine Karriere begann, als ein Produzent ein Tape davon sah. Ich sammle außerdem Erstausgaben. Mein Vater ist Archivar, er handelt mit seltenen Büchern. Und er schreibt selbst. Ich bin mit einer Riesenbibliothek aufgewachsen und führe diese Tradition fort. Ich suche mir meine Häuser nach der Größe eines oder mehrerer Räume aus, die ich in Bibliotheken umwandeln kann.
Sie machten legendäre Filme mit sehr berühmten Co-Stars. Mit wem sind Sie noch in Kontakt?
Mit Keanu Reeves. Mit dem bin ich ja – wenn man gewissen Zeitungsenten Glauben schenkt – seit Jahren verheiratet! Das kam aus einem Witz, den ich machte, weil wir in „Dracula“ diese lange Szene mit einem richtigen rumänischen Priester drehten, und ich sagte, „ich glaube, wir sind jetzt richtig verheiratet, weil der Priester echt war“, und daraus wurde sofort eine Pressemeldung, die Francis Ford Coppola dann dementieren musste. Wir sind über die Jahre wirklich gute Freunde geblieben. Ich weigere mich, ihm eine Scheidung zu gewähren! Er ist einer meiner Lieblingsmenschen.
Und Cher, mit der Sie „Meerjungfrauen küssen besser“ (1990, Anm.) gemacht haben?
Ich muss sehr oft an Cher denken, wenn die Kids in der Serie mich, als ältere Frau – ich bin ja inzwischen 47 – um Rat fragen. Denn Cher hat mir gute und wichtige Ratschläge gegeben. Sie sagte „Du schaffst das“ mit einer solchen Überzeugung, dass ich als junge Schauspielerin, die mit dem Ruhm nicht fertig wurde und nicht wusste, wie sie sich da durchmanövrieren soll, ein ganz neues Selbstbewusstsein entwickelte. Dafür bin ich ihr ewig dankbar.
Und Johnny Depp?
Mit ihm habe ich schon lange nicht mehr geredet.
Sie drehen als nächstes „Verschwörung gegen Amerika“, das auf dem Roman von Philip Roth basiert…
Ja, darauf bin ich schon sehr gespannt. Philip Roth ist einer meiner Lieblingsautoren. Es ist die Geschichte davon, was passiert wäre, wenn Charles Lindbergh überlebt hätte und zum Präsidenten gewählt worden wäre. Ich kann nur jedem empfehlen, den Roman zu lesen.
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