Stefanie Reinsperger: "War überrascht, wie nah mir der Dreh ging"

Stefanie Reinsperger in „Liebesbrief an Jenny“.
Die ROMY-nominierte Schauspielerin ist am Sonntag in der TV-Romanze "Liebesbrief an Jenny" zu sehen. Im Interview spricht sie über Körperbilder, ihr Burgtheater-Highlight "Elisabeth!" und die Gründe für ihren "Tatort"-Ausstieg.

Einen Interviewtermin mit Stefanie Reinsperger zu bekommen, ist derzeit gar nicht so einfach. Denn die Schauspielerin steht nicht nur auf der Bühne des Burgtheaters, sondern dreht aktuell auch einen Film in Deutschland, für den sie hin- und herpendelt. Verraten darf sie darüber noch nichts, dafür aber über die TV-Romanze „Liebesbrief an Jenny“, in der sie am Sonntag (30.11., 20.15 Uhr, ZDF) zu sehen ist: Darin spielt sie die Blumenhändlerin Jenny, die bei einem Reha-Aufenthalt den Fitness-Influencer Timo (Golo Euler) kennenlernt. Während sie zufrieden mit ihrem Körper ist, scheint er besessen von Selbstoptimierung zu sein. Trotz Unterschieden verlieben sich die beiden. Im KURIER-Interview spricht Reinsperger über die RomCom, ihren letzten "Tatort" und ihren ROMY-Auftritt im Bademantel.

Was hat Sie denn an der Rolle in „Liebesbrief an Jenny“ gereizt?

Ich habe noch nicht oft einen Love Interest im Film spielen dürfen und es war auch ein ganz anderes Genre für mich. Die Produzentin kam damals auf mich zu und meinte: „Ich habe da ein Drehbuch und die Autorin hat beim Schreiben schon an dich gedacht.“ Das passiert nicht oft und ist etwas ganz Besonderes.

Hatten Sie Berührungsängste zum Genre RomCom oder dem Sendeplatz in der ZDF-Schiene „Herzkino“?

Ich denke nicht in solchen Kategorien und wäre auch ganz froh, wenn die Gesellschaft das ablegen würde. Ich habe ein tolles Drehbuch bekommen und hatte einen wunderschönen Dreh. Der Film läuft halt auf diesem Sendeplatz und in diesem Genre, weil man immer noch den Drang verspürt, alles einordnen zu müssen. Ich selber lasse mich nicht gerne einordnen und denke auch nicht so. 

Ihre Figur, Jenny, bekommt in dem Film viele Kommentare zu ihrem Körper, erlebt Online-Hass. Dinge, die Sie als Ex-Buhlschaft selbst erlebt haben und über die Sie auch in Interviews und Ihrem Buch "Ganz schön wütend" berichtet haben. Wie ist es Ihnen damit gegangen, mit diesen Themen beim Dreh konfrontiert zu werden?

Ich find es toll, dass das so erzählt wird, aber ich war selbst ein bisschen überrascht, wie nah mir das beim Drehen ging. Ich habe schon viel durchlaufen, habe ein Buch geschrieben und versuche auch in meiner Arbeit, diese Themen sichtbar zu machen. Aber Jenny ist an einem anderen Punkt als Steffi. Besonders eine Szene hat mich mitgenommen. Meine Kolleginnen und die Regisseurin haben das sofort gespürt, waren für mich da und ich konnte das nach dem Drehtag auch wieder abschütteln. Aber es hat schon etwas ausgelöst in mir und ich hoffe, dass es das beim Zuschauen natürlich auch tut.

Welche Szene meinen Sie?

Als Jenny nach Hause kommt und schon alle auf sie warten, um mit ihr Fotos für Social Media zu machen. Da wird dann eine Art Greenwashing betrieben, indem man sagt: Ah, jetzt passt es eigentlich ganz gut, dass du so ausschaust und deine Figur so ist, wie sie ist. Dabei hat Jenny noch gar nicht verarbeitet, was passiert ist und muss plötzlich als Role Model herhalten. 

Haben Sie denn das Gefühl, dass sich in Sachen Body Positivity etwas getan hat in den vergangenen Jahren?

Die Mühlen mahlen langsam und ein bisschen hat man das Gefühl, dass das Pendel wieder in die Gegenrichtung ausschlägt. Es tut sich was, aber da ist noch viel Luft nach oben. Denn wie viele diverse Körper sieht man denn in Film und Fernsehen, vor allem in Hauptrollen? Was mich als nächsten Schritt interessieren würde, wäre ganz unabhängig vom Genre, einen Love Interest zu spielen, ohne dass mein Körper Thema ist.

Stefanie Reinsperger und Golo Euler in "Liebesbrief an Jenny".

Stefanie Reinsperger und Golo Euler in "Liebesbrief an Jenny".

Heuer wurde bekannt, dass Sie aus dem Dortmunder "Tatort" aussteigen. Wie kam es dazu?

Bei mir haben sich viele Sachen verändert. Allen voran war da der Entschluss, wieder nach Wien zu gehen und ich hatte auch das Bedürfnis, ein bisschen Raum in meinem Leben zu schaffen. Ich bin fest angestellt am Theater, spiele in Berlin nach wie vor meine Vorstellungen. Mit zwei „Tatorten“ im Jahr wird der Platz für andere Filmprojekte sehr begrenzt. Manchmal muss man den Mut haben, schöne Dinge loszulassen und Raum für noch Unbekanntes schaffen.

Wie blicken Sie denn auf die "Tatort"-Zeit zurück?

Ich habe mich da sehr wohlgefühlt, habe tolle Menschen kennengelernt und viel über Kameraarbeit gelernt. Was mir vorher gar nicht so bedacht hatte, ist, dass man da eine Rolle hat, die man gut kennt und zu der man zwei Mal im Jahr zurückkehrt, während sich das Team rundherum ändert. Es war spannend, die Figur immer wieder in Beziehung zu anderen Regisseurinnen und Regisseuren oder Drehbuchautorinnen und Drehbuchautoren zu setzen und zu schauen, wie sie sich entwickelt. 

2026 ist Ihr letzter Fall als Ermittlerin Rosa Herzog im TV zu sehen. Wie war der Abschied beim Dreh für Sie?

Sehr emotional! Beim Film dreht man ja unchronologisch und meine letzte Szene war relativ zu Beginn dran. Und da habe ich schon in der Früh in der Maske geweint. Die Entscheidung, zu gehen, und die Gespräche mit der Produktion haben schon vor zweieinhalb Jahren stattgefunden. Man sagt ja nicht von heute auf morgen: Ich steige jetzt aus. Da war also viel Zeit für die Verarbeitung. Und trotzdem wird einem beim Drehen dann noch mal bewusst: Arg, das ist jetzt das letzte Mal, dass ich das Kostüm dieser Figur anhabe.

Stefanie Reinsperger als Rosa Herzog im Dortmunder "Tatort".

Stefanie Reinsperger als Rosa Herzog im Dortmunder "Tatort".

Nach Jahren in Berlin leben Sie mittlerweile wieder in Wien. Wie geht es Ihnen hier?

Urgut! Ich bin so glücklich hier. Das, was mir keine andere Stadt der Welt bieten kann, ist, dass ich in die Badner Bahn steige und in 25 Minuten zu Hause bei meiner Familie bin. Das tut mir leid für alle anderen Städte, aber das ist der absolute Jackpot. Ich wohne auch nur 40 Sekunden von meiner besten Freundin entfernt. Schön langsam merke ich, dass ich angekommen bin. Ich bin erst im August richtig umgezogen, hatte dann sofort Proben, während die Kisten noch gar nicht ausgepackt waren, aber peu à peu kommt alles an seinen Platz.

Als Ensemblemitglied am Burgtheater haben Sie gut zu tun, stehen da u. a. in "Liliom", "Volksvernichtung" und ab 6. Dezember in "Selbstbezichtigung" auf der Bühne. Ein Highlight ist für Sie Mareike Fallwickls "Elisabeth!". Warum?

Es ist schon etwas Besonderes, wenn man die Chance bekommt, einen solchen Abend aus Eigeninitiative zu machen und sagen zu können: Das ist das, was mich interessiert und das sind die Menschen, mit denen ich arbeiten möchte. Ich bin ja am Anfang davon ausgegangen, dass wir das im Vestibül oder im Kasino machen, aber das Haus hat gesagt, wir bekommen die große Bühne. Wir benutzen Sisi, um feministische Themen anzusprechen und in diesem Raum vor 1.200 Leuten über Gisèle Pelicot, Imane Khelif und Rosa Parks zu sprechen. Dass das Theater so voll ist, es die Leute emotional so mitnimmt und sich wie ein politischer Akt anfühlt – das ist schon ein sehr großes Highlight.

Mareike Fallwickl und Sie haben beide Bücher geschrieben, in denen Wut eine zentrale Rolle spielt. Hat Sie das miteinander verbunden?

Ihr Buch wurde mir bei einer meiner ersten Lesungen gegeben. Die Buchhändlerin hat gesagt: „Das kommt erst nächste Woche raus, aber ich muss dir das jetzt schon geben, du wirst es lieben.“ Und ich habe mich darin – wie viele Frauen – gehört, gesehen und gemeint gefühlt. Darüber haben wir uns dann auch angenähert. Als ich nach dem Umzug mein Bücherregal eingeräumt hatte, habe ich Mareike ein Foto geschickt und geschrieben: „Dieses Regal ist komplett von Mareike Fallwickl geinfluenced.“ Wenn sie ein Buch empfiehlt, kann man sicher sein, dass ich es innerhalb einer Woche habe. Sie ist für mich die wichtigste moderne feministische Stimme, die wir gerade haben. Ich arbeite auch schon lange daran, ihren Roman „Die Wut, die bleibt“ zu verfilmen – möge die österreichische Filmförderung mit uns sein! (lacht)

Was hat Sie bei der Beschäftigung mit Sisi am meisten überrascht?

Wir nehmen sie ja nur als Aufhänger, weil es gerade in Österreich hilft, ein Sisi-Kostüm anzuhaben, damit dir ein bisschen mehr Leute zuhören (lacht). Aber was mir jetzt erst richtig bewusst geworden ist: Da wurde einfach eine 16-Jährige, ein Kind, verheiratet. Mareike beleuchtet in dem Stück auch, wie unsere Erinnerung an Sisi je nach Zeitgeist angepasst wird. Jetzt wäre es zum Beispiel richtig leiwand, wenn sie als Feministin durchgehen würde – aber das geht sich halt nicht ganz aus. Gerade im Älterwerden hätte sie ihre Privilegien vielleicht auch anders nutzen können.

Stefanie Reinsperger in "Elisabeth!"

"Elisabeth!" im Burgtheater.

Heuer sind Sie wieder für eine ROMY nominiert. 2022 haben Sie ja bereits eine bekommen und wurden direkt nach einer Vorstellung mit der Statuette überrascht ... 

Oh, das war so arg! Das war nach der Premiere von „Phaidras Liebe“ in Berlin. Ich kam gerade von der Bühne und hab mich überhaupt nicht ausgekannt. Ich war in diesem Bademantel, mit völlig verschmiertem Make-up und hatte noch die Spielrotze im Gesicht hängen. Mir war in dem Moment auch gar nicht bewusst, dass das ja im Fernsehen übertragen wird! Das war mein authentischer, unluxuriöser ROMY-Auftritt. (lacht)

Und ein sehr sympathischer. Aber heuer nicht mehr im Bademantel?

Das wäre bequem. (lacht) Nein, ich freue mich total, dass ich nominiert bin und dieses Jahr auch live dabei sein kann. Ich werde meine beste Freundin mitnehmen und wir machen uns da einen schönen Abend. Und ich bekomme tatsächlich ein ganz tolles Kleid von Jürgen Christian Hörl.

Wo steht denn die erste Romy?

Ich bin ja noch immer am Einrichten und Adjustieren. Zuerst hatte ich sie am Kühlschrank, bis meine Mutter gesagt hat: Stefanie, bitte, das geht nicht! Und jetzt steht sie oben auf dem Bücherregal – umgeben von Mareike-Fallwickl-Büchern.

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