Eine Bühne mit Niveau, die fehlen wird

TV-Moderator Oliver Baier gab in Woody Allens „Spiel’s nochmal, Sam“ den Superneurotiker
Das stadTheater walfischgasse ist Geschichte. Eine Ära ist Freitag mit der letzten Aufführung von "Freunde, das Leben ist lebenswert" zu Ende gegangen.

Wo einst schon Qualtinger, Bronner und Farkas im ehemaligen "Neuen Theater am Kärntnertor" auf der Bühne standen, hat sie das stadTheater walfischgasse etabliert und zehn Jahre lang mit wenig Subventionen, aber großem Erfolg geleitet. Jetzt will sich Intendantin Anita Ammersfeld zurückziehen.

Eine Bühne mit Niveau, die fehlen wird
Anita Ammersfeld
Es war eine "lustvolle Arbeit", trotz "oft 14- bis 16-Stunden- Tagen, sieben Tage in der Woche", dem Haus – nach vielen Jahren als "Kleine Komödie" – jüdische Identität wie auch künstlerische Relevanz zu geben.

Sie kreierte einen klugen Programm-Mix aus anspruchsvoller Komödie, intelligenter Unterhaltung und zeitgenössischem Drama und bot obendrein Kabarettisten und Musikern eine Bühne. So traten neben Alfred Dorfer und Joesi Prokopetz auch Marianne Faithfull, Herman van Veen oder The Tiger Lillies in der Walfischgasse auf. Und Georg Danzer. "Der war ein Großer, ein begnadeter Poet und ein besonderer, weil grundanständiger Mensch", sagt Ammersfeld.

Ihr Erfolgsgeheimnis war die Vielseitigkeit im spartenübergreifenden Spielplan, was ihr Kritiker wiederum als Profillosigkeit angekreidet haben. Während für sie "alles eine Frage des Anspruchs und des Niveaus ist. Und das Niveau muss schlicht und ergreifend stimmen."

Die positive Bilanz ihrer Dekade: 31 Eigenproduktionen u.a. von Autoren wie Peter Turrini, Felix Mitterer, Rupert Henning, Charles Lewinsky, Joshua Sobol und Peter Patzak, und mehr als 2000 Vorstellungen mit insgesamt mehr als 400.000 Besuchern, 43.000 allein in der letzten Saison.

Eine Bühne mit Niveau, die fehlen wird
Stadttheater Walfischgasse
Werner Schneyder, Carolin Pienkos, Michael Gampe oder André Pohl führten Regie. Unvergessene Abende gab’s u.a. mit Cornelius Obonya, Joseph Lorenz, Karlheinz Hackl oder Nicole Beutler. Und der "Was gibt es Neues?"-TV-Show-Moderator Oliver Baier durfte mehrmals als Schauspieler und Komödiant glänzen, zuletzt als Superneurotiker in Woody Allens "Spiel’s nochmal, Sam".

Unterhaltung mit Haltung war von Anfang an der Anspruch. Stücke auf hohem Niveau. "Ein Theaterabend soll etwas in den Köpfen der Zuschauer hinterlassen. Er soll zum Nachdenken, zur Diskussion anregen und die gesellschaftspolitische Auseinandersetzung befeuern", so das Credo der Theatermacherin, die jetzt erst einmal Ruhe in ihr Leben einkehren lassen will. Im Herbst zieht in der Walfischgasse die Kinderoper ein. Oliver Baier sieht’s als "Gewinn für die Welt der Oper, aber die Farbpalette des Wiener Theaterspielplans wird um eine Nuance weniger bunt sein."

Dass das Verschwinden ihrer Bühne von der kulturellen Landkarte Wiens Wehmut hinterlässt, quittiert die Intendantin indes mit einem Lächeln: "Je trauriger Sie sind, umso lieber ist es mir."

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