Spuren des künstlerischen Kontrollverlustes

Spuren des künstlerischen Kontrollverlustes
Die William-S.-Burroughs-Schau in der Kunsthalle Wien scheitert an der Vermittlung. Nur Kenner können das Gesehene auch kontextu­alisieren.

Ich lebe mit der ständigen Bedrohung, von etwas besessen zu sein, und mit dem ständigen Verlangen, zu fliehen – vor der Besessenheit, vor der Kontrolle."

Sein Wunsch führte William S. Burroughs vom Kontrollverlust direkt in die Abhängigkeit – von Heroin und anderen Drogen. Zugleich brachte er ein wundersames Werk hervor, das sich in Literatur, Pop und Film als ungeheuer einflussreich erweisen sollte: "Naked Lunch", "Junkie" und "Soft Machine" heißen nur die bekanntesten Texte des 1997 verstorbenen Beat-Literaten, den auch Stars wie Michael Stipe von R.E.M. oder Kurt Cobain von Nirvana als Guru verehrten.

Burroughs’ künstlerischer Kontrollverlust hatte Methode, und die Kunsthalle Wien tastet sich in der Schau "Cut-ups, Cut-ins, Cut-outs" (bis 21.10.) an diese heran: Im Fokus stehen die Collagen und Montagen, mit denen der Amerikaner vorwegnahm, was Menschen des Digitalzeitalters unter "Sampling" oder "Cut-and-Paste" verstehen. Angeregt vom Künstler Brion Gysin – und teils in Kooperation mit diesem – schnitt er Worte und Textfetzen aus Zeitungen und Büchern, arrangierte die Elemente um, kombinierte sie mit Bildern.

Alleingelassen

Ob die Resultate nun Texte oder Bilder sind, ergibt sich in der Kunsthalle eher aus der Präsentation als aus dem Inhalt: Im zentralen Raum sind dort manche Blätter an der Wand, andere auf Lesepulten platziert. Zu gern hätte man gewusst, wie die Werke zustande kamen, hätte Burroughs beim Schneiden über die Schulter geschaut – doch die Kuratoren, der Burroughs-Experte Colin Fallows und die Kunsthallen-Kuratorin Synne Genzmer, lassen die Besucher ziemlich allein. So ist "Cut-ups, Cut-ins, Cut-outs" eher eine archäologische und weniger eine kunst- oder kulturgeschichtliche Ausstellung: Angetrieben vom Gedanken, den Burroughs "als Künstler" zu zeigen, konfrontiert sie die Betrachter mit Artefakten aus dessen Werk, die möglicherweise nie als galerientaugliche Kunst intendiert waren, etwa die von Kugeln durchsiebten, selbst gezeichneten Schießscheiben.

Nur Kenner können das Gesehene auch kontextu­alisieren – ein Versuch, Burroughs’ einst so revolutionäre, innovative Kraft einem heutigen Publikum näherzubringen, wird gar nicht erst unternommen. Im Feld der zeitgenössischen Kunst wird "Didaktik" zwar oft als Schimpfwort verwendet – doch bei dieser Schau täte sie gut.

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