Sprechoper im Akademietheater: Iphigenie hat ja nichts als Worte

LIchtgestalt: Julia Windischbauer als Iphigenie
Martin Kušej startete seine Ära als Burgtheaterdirektor im September 2019 mit „Die Bakchen“ in der Regie von Ulrich Rasche. Und mit Rasche beendet er sie auch: Am Freitag hatte im Akademietheater Johann Wolfgang von Goethes „Iphigenie auf Tauris“ Premiere. Mit deutlich weniger technischem Aufwand. Und in Verwandtschaft zu „Nathan der Weise“ von Gotthold Ephraim Lessing, 1779 veröffentlicht – und damit in jenem Jahr, in der die erste Fassung der „Iphigenie“ entstand.
Das Drama rund um die Ring-Parabel hatte Rasche bei den Salzburger Festspielen 2023 inszeniert. Damals überzeugte eine Lichtgestalt (Valery Tscheplanowa als Nathan) die Männer. Nun verhält es sich ähnlich: Julia Windischbauer, die Nathans Ziehtochter Recha gespielt hatte, überzeugt Thoas, den König der Taurier, nicht mit Gewalt auf Gewalt zu antworten, sondern sie samt ihrem Bruder Orest ziehen zu lassen.

Diese packende, ja zwingende Produktion ist sozusagen die kleine Schwester des „Nathan“: Wieder lässt Rasche eine „Scheibe“ rotieren, wieder schreiten die Schauspieler, den Körper und das Gesicht dem Publikum zugewandt, auf dieser in einem fort – und kommen mitunter nicht vom Fleck. Wieder wabern Nebelschwaden, und die Männer tragen wieder lange Röcke. Wieder sitzen die Musiker seitlich im Anthrazit-Dunkel, und Nico van Wersch hat wieder einen düsteren Soundtrack beigesteuert, voranpeitschend, bedrohlich wummernd und mit pulsierenden Bass-Lines.
Siebenläufige Kanone
Auf der Perner-Insel von Hallein hingen – an drei Kreisen – schmale Quader aus gestanztem Blech, bestückt mit gleißenden Scheinwerfern. Auch im Akademietheater gibt es ein schwebendes, die Szenerie dominierendes Objekt. Es erinnert an eine siebenläufige Laserkanone (bestückt mit Neonröhren, die in Orange oder Blau, auch in kräftigem Rot leuchten). Sie hat etwas monströs Phallisches, ist auf Orest gerichtet. Und wenn er vom Trojanischen Krieg erzählt, krabbelt der Chor darunter hervor.
Rasche gelingen in gewohnter Manier eindringliche Bilder, er frönt dem Ästhetizismus. Den radikal gekürzten Text lässt er überdeutlich (wenngleich nicht „gelassen“) ersprechen, mikrofonverstärkt, im passenden Moment brutal verzerrt. Daniel Jesch als Thoas schleppt sich gebückt über die Bühne, Ole Lagerpusch, die Achseln hochgezogen, verleiht seinem Schmerzensmann Orest etwas leicht Hysterisches.
Und Julia Windischbauer – grazil wie Tscheplanowa, ebenfalls weiß gewandet, die Arme leicht angewinkelt – betört mit einem Zittern in der Stimme. Sie hat ja nichts als Worte. Nach zweieinhalb Stunden (ohne Pause) endet die Sprechoper zu himmlischen Elektronik-Akkorden. Großer Applaus.
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